Nachbarn sind zum Ärgern da (D 1970)

Regie: Peter Weck
Buch: August Rieger
Produktion: KG Divina-Film, München
Premiere: 30. Dezember 1970

Zur Abwechslung mal eine deutsche Komödie, mit der weder Lisa Film noch Rialto Film etwas zu tun haben, selten genug. Die in München ansässige Divina-Film produzierte hier einen Film von Peter Weck (*1930), der in der Zeit eine kurze Karriere als Kino-Regisseur hatte. Im heutigen kollektiven Gedächtnis ist er wohl primär als Schauspieler in kultigen 80er-TV-Serien wie „Ich heirate eine Familie“ präsent. Aber auch war auch hinter den Kulissen recht fleißig, auch im Fernsehen führte er oft Regie. Bis 2015 war er noch oft auf der Mattscheibe zu sehen.

Dieser Film ist recht obskur. Er hat keine Rezension auf imdb. Allerdings ist er von der Verfügbarkeit gut – es gibt ihn seit 2015 auf DVD, mal wieder vom Label Filmjuwelen ausgegraben. Ob wir hier wirklich ein „Filmjuwel“ haben? Wir werden sehen.

Wie deutsch darf es sein? – Ja!

Zur Abwechslung geht es hier mal nicht um Lausbuben-Schüler noch um Schulmädchen im Hormonkoller wie so oft in der Zeit um 1970, sondern das urdeutsche Thema Nachbarschaftsstreit. Schon das erste Bild des Films ist so spießig-deutsch, dass es schon lustig ist. In dieser jägerbezaunten Reihenhaus-Hölle in der Spießergasse leben also 4 Familien, um deren Konflikte es in diesem heiter gemeinten Streifen geht.

Otto Sauser (Georg Thomalla) gießt in seinem perfekt gepflegten Garten im Anzug mit Krawatte (!) entspannt seine Geranien, doch, potzblitz, vor dem Haus gibt es einen Unfall, ein Mercedes und ein Käfer, ein Herr im Anzug mit Hut steigt aus und schaut fassungslos auf die Scherben.

Bundesrepublik Deutschland 1970, in einer Minute perfekt illustriert.

Die Verunfallten entpuppen sich als neue Nachbarn. Unser Gärtner von eben hat diese Reihenhausanlage gebaut und vermietet sie nun an drei weitere Parteien. Die Familien Stenhoff, Springbock und Hirnbiss ziehen ein und das Chaos beginnt.

Frau Stenhoff (Angela Cenéry) bringt drei Menschen mit, die Kinder Stefan und Bübchen sowie den Sonnyboy Jürgen (Fritz Wepper). Die Familie bezieht Hausnummer 1, Amtsrat Springbock (Eddi Arent) mit Frau wohnt in Nummer 2. Familie Hirnbiss, er ist Fleischerei-Innungsmeister (Hans Korte), hängt seinen Hut in Nummer 4 auf, zusammen mit der Teenie-Tochter Sieglinde-Dorothee (ja, im Ernst). Otto Sauser, gärtnernder Junggeselle, lebt in Nummer 3.

Schnell entsteht ein klamaukiger, überdrehter Nachbarschaftskrieg bis hin zur finalen Eskalation. Wer hat das Radio zu laut? Wer mäht in der Mittagsruhe den Rasen? Oder haut ohne Genehmigung mit fünf Durchschlägen einen Nagel in die Wand? Oder hält gar Tiere in der Wohnung? Und der Jürgen, der wechselt seine Damen wie seine Hemden! Ja, gehört sich denn das? Im dritten Akt wird sich anständig deutsch gegenseitig verklagt, bis der der Jägerzaun glüht.

Parallel gibt es natürlich ein paar Lovestorys. Ein Installateur mit dem Namen Hans Wurst (im Ernst, Wolfgang Jansen) erscheint, hier entsteht eine Romanze mit der feschen Göre Sieglinde-Dorothee Hirnbiss (Elke Aberle), und wo Uschi Glas und Fritz Wepper auftauchen, dürfte er Rest wohl klar sein.

„Ach Gott, mit solchen Nachbarn muss man hausen!“

So ganz ohne harmlose Schlüpfrigkeiten geht es dann doch nicht, exemplarisch sei die Szene genannt, als einer der Knirpse den Spülkasten demoliert und so aus Versehen ein Loch in die Wand haut und mal bei Frau Nachbarin Hallo sagt, die gerade unter der Dusche steht, nur durch eine groteske Menge Schaum bekleidet. So rennt sie dann hysterisch durchs Haus, ihr Mann: „Du kannst doch hier nicht rumlaufen wie der weiße Riese!“ Was für ein Gag. (Der „Weiße Riese“ ist eine Waschmittelmarke, wer es nicht weiß. Also eigentlich Schleichwerbung.)

Immer wieder gibt es bizarre Szenen. Bei Minute 51 sehen wir Famlie Fleischerei-Innungsmeister Hirnbiss beim festlichen Mahl auf der Terrasse. Es gibt natürlich deftigste Fleisch- und Wurstwaren und Bier. Töchterchen ist nur mäßig begeistert und nascht nur am Radieschen (= Deko). Folgender Dialog folgt:

Vater Hirnbiss: „Iss lieber!“

Mutter Hirnbiss: „Ganz recht, dass was wird aus dir!“

Vater Hirnbiss (energisch): „Nun iss mal tüchtig!“

Mutter Hirnbiss: „Da hat er ganz recht, Sieglinde-Dorothee!“

Vater Hirnbiss rülpst. „Du musst doch mal ein bisschen Figur kriegen. Hier, kuckt dir mal deine Mutter an!“ Zeigt auf ihre Oberweite.

Tochter Hirnbiss: „Also, jetzt ist mir der Appetit ganz vergangen!“

Ganz normale Dialoge am deutschen Essenstisch

„Tochter, zieh dir mal den kompletten Schweinsbraten rein, damit du auch so Prachteuter wie deine Mutter kriegst.“ Klar, dass das hier lustig-überspitzt gemeint ist, aber – echt jetzt?

Die Familie Springbock hat indes andere Essgewohnheiten. Die Frau ist eine geborene von Papen, wie sie regelmäßig betont, und natürlich essen sie vegetarisch zu klassischer Musik. Natürlich, haha, leidet der Mann darunter, immer nur Gras zu fressen und geht heimlich im Restaurant deftig essen, hohohohihihi. Da lacht der Karl-Heinz, während er im Kino herzhaft in eine reingeschmuggelte Bockwurst beißt.

Ein paar Kleinigkeiten stechen etwas aus der Masse heraus. Einmal sehen wir hier einer der eher seltenen Ausflüge von Hans Korte (1929-2016) ins leichte Komödienfach, ich habe ihn ohne Brille und Bart erst auf den zweiten Blick erkannt. Sonst war er eher im ernsten Fach oder in Krimis zuhause, nicht zuletzt in 7 Folgen „Derrick“, eine davon wurde hier schon behandelt.

Fleischerei-Innungsmeister Hirnbiss (Hans Korte) nebst Gattin (Monika John)

Zudem war es die letzte Kinoarbeit von „Hubsi“, Hubert von Meyerinck, (1896-1971) zu dem ich hier ja auch schon einiges geschrieben habe. Er hat eine kleine Rolle als Notar. Er erkrankte noch während der Produktion, in der Nachbearbeitung musste er daher von Paul Bürks synchronisiert werden, da sich sein Dialog noch geändert hatte. (Kleiner Tipp zwischendurch: Wer mehr zu einzelnen Personen wissen will – am Ende jedes Textes sind in der Einzelansicht alle genannten getaggt, durch einen Klick kann man dann alle Filme mit jeweiliger Beteiligung filtern.)

Fritz Wepper sieht hier exakt genau so aus wie im wohl zur gleichen Zeit entstandenen „Wir hau’n die Pauker in die Pfanne“ (Premiere 8. Juli 1970). Heute eher als Harry Klein aus „Derrick“ bekannt oder durch den Seriendauerbrenner „Um Himmels Willen“ (2002-2021), ist er hier noch relativ am Anfang seiner Karriere zu bewundern, er spielte von 1955 bis 1972 in einigen Kinofilmen mit, filmhistorisch am nachhaltigsten wohl noch ganz jung im legendären Antikriegsfilm „Die Brücke“ (1959) von Bernhard Wicki.

Die erstgenannte Hauptdarstellerin Uschi Glas lässt ziemlich lange auf sich warten. Sie war damals sehr angesagt und gefühlt alle 14 Tage mit einem neuen Film im Kino. Auch sie war schon mehrfach Gast hier, und sicherlich zwangsläufig nicht zum letzten Mal. Sie spielt hier Gaby Bergmann, die als Nachhilfelehrerin für Stefan, dem älteren Sohn von Frau Stenhoff, der sich in sie verknallt.

Am meisten Screentime hat Tausendsassa Georg Thomalla (1915-1999), ebenfalls einer der ganz fleißigen Schauspieler der Zeit. Generell mag ich ihn, er kann durchaus lustig sein. Hier ist er überdreht bis nervig und spielt alles auf 120 Prozent, was über die Spielzeit doch mehr anstrengend als erheiternd ist.

Georg Thomalla, Uschi Glas

Thomas „Tommi“ Ohrner (*1965) hatten wir hingegen noch nicht, er ist heute eher als Moderator bekannt, hier sehen wir ihn als naseweisen Jungen namens Bübchen, gerade mal 5 Jahre alt in einem seiner ersten Kinoauftritten. Nach einer Karriere als Kinderdarsteller 1979 sollte er als „Timm Thaler“ im gleichnamigen Mehrteiler Fernsehgeschichte schreiben, bis heute ist er in Funk und Fernsehen aktiv.

Der kleine Tommi Ohrner

Wolfgang Jansen (1938-1988), hier als „Hans Wurst“ zu sehen, spielte in der Zeit öfter kleinere Rollen in Filmen, auch der erotischen Art, so Knaller wie „Frau Wirtin treibt es jetzt noch toller“ oder „Was Schulmädchen verschweigen„. Er war von den 50ern bis in die 80er gut im Geschäft. Privat hatte er ein hartes Schicksal. Er verlor früh seine Eltern, und auch sein Lebensende war unerfreulich: 1983 wurde seine langjährige Ehe geschieden, kurz darauf starb seine neue Lebensgefährtin bei einem Unfall. Bei einem Zugunglück verlor er dann 1985 das rechte Bein, drei Jahre später starb er verarmt mit nur 49 Jahren.

Uschi, mach die Bluse auf, der Fritze kommt im Dauerlauf. Und hat echte Coca Cola dabei.

Geschrieben hat dieses dünne Geschichtchen der Österreicher August Rieger (1914-1984), der von den 50ern bis in die 70er hinein einiges an Drehbüchern verfasste. Tatsächlich ist er uns auch schon mal begegnet, sowohl die rheinländische Fremdschamorgie „Zwei Rebläuse auf dem Weg zur Loreley“ als auch der ähnlich unlustige „Immer Ärger mit den Paukern“ (ebenfalls mit Thomalla und Glas) gehen auf sein Konto. Wie ich dort schon schrieb: „Seine Filmographie ist reines Trash-Gold, wie ich gerade feststelle, der wird sicherlich nicht zum letzten Mal unsere Wege durch die tiefen Täler des deutschen Filmschaffens kreuzen.“ Quod erat demonstrandum.

Gags von der Witzeseite vom Goldenen Blatt 1962, schlecht getimter Slapstick und deutsche Ultra-Spießigkeit sind die Hauptzutaten dieses erschreckend unlustigen Lustspiels. Selbst für hartgesottene Humorforscher schwer am Stück zu ertragen, gibt es hier und da halbwegs solide Standards des Slapstick, die aber alle schon tausendmal gemacht wurden, nur halt in besser. Für alle Beteiligten kein Ruhmesblatt, aber hartgesottene Uschi-Glas-Fans oder nostalgische Fans der „guten alten Zeit“ kaufen die DVD wohl trotzdem.

Charley’s Onkel (D 1969)

Regie: Werner Jacobs

Buch: Kurt Nachmann

Produzent: Allianz Film Produktion GmbH, Berlin (Heinz Willeg),
Terra Filmkunst

Premiere: 18. April 1969

Ein Film wie ein Fiebertraum. Ein weiterer Baustein in meiner selbst gesteckten Challenge, alle Filme mit Beteiligung von Heinz Erhardt zu sichten, und das ist wohl das skurrilste Machwerk, in dem er je auftauchte. Er hat hier auch nur eine kleine Rolle, mehr ein Cameo. Aber was für ein Cast! Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es wirklich einen Film gibt, in dem Heinz Erhardt und Karl fucking Dall mitwirken? Mindblowing. Leider sind sie nie in einer Szene, das hätte wohl einen Riss in der Humor-Matrix gegeben.

Hier wird allerlei aufgefahren an großen Namen des damaligen Komödienschaffens. Regisseur Werner Jacobs ist ein alter Haudegen im Gerne und kurbelte allerlei lustig gemeintes und sollte ein paar Jahre später noch drei der vier „Willi“-Filme mit Erhardt drehen. Autor Kurt Nachmann ist uns hier auch schon des Öfteren über den Weg gelaufen, später dazu mehr.

Was den Film etwas besonders macht – hier treffen Opas Pantoffelkino und 68er Anarcho-Humor aufeinander. Der Clou an dem Film ist „Insterburg & Co“, die Band um Ingo Insterburg, zu der eben auch Karl Dall gehörte. Ein Running-Gag ist, dass Insterburg sich konstant über alles „Scheiß-Bürgerliche“ echauffiert.

Sonst kommt hier echt eine beeindruckende Kollektion von deutschen Spaßnasen zusammen, viele alte Bekannte des Genres. Von den alten Haudegen wie Hubert von Meyerinck und Willy Millowitsch bis hin zur damals aktuellen Generation wie Gila von Weitershausen (die nominelle Hauptrolle) und besagte Insterburg & Co.

Willy Millowitsch und Heinz Erhardt

Quasi der Avengers des deutschen Lustspiels. Gustav Knuth in einer Doppelrolle! Erna Sellmer, die sich auch noch als Mann verkleidet! Gunther Philipp! Edith Hancke! Ralf Wolter! Hans Terofal! Herbert Weißbach! Ja, sogar der von mir bekanntlich sehr geschätzte Rudolf Schündler! Viele nur in kurzen Gastauftritten, aber dennoch schon beeindruckend. Sogar der spätere Komödien- und Exploitation-Regisseur Rolf Olsen hat einen Auftritt (ja, der mit den Satansmädchen). Das damalige Sexsternchen Andrea Rau zieht mal blank und als Sahnehäubchen auf diese Torte des Kartoffel-Wahnsinns schaut noch mal ein junger Karel Gott vorbei, in „seinem ersten deutschen Spielfilm“, wie der Trailer stolz verkündet.

Gila von Weitershausen, Hans Terofal

Als wäre das alles nicht schon bizarr genug: Wir schreiben das Jahr 1969. Erfolgreiche Filme müssen Brüste haben. Und wir haben hier allerlei Nuditäten zu bewundern, es geht um käufliche Liebe. Willy Millowitsch lüstern wie Nachbars Lumpi eine (vermeintliche) Nutte jagen zu sehen hat schon etwas von einem Fiebertraum nach einer Überdosis seltsamer Filme und Eierlikör. Aber: Ja, dieser Film existiert.

Nebenbei: Wer auf nackte Tatsachen von Gila von Weitershausen hofft, dürfte eher enttäuscht werden, es gibt eine Umkleideszene von hinten, wenn man blinzelt, verpasst man es. In „Der Bettenstudent“, wo sie ja auch mitwirkte, kann ich mich zumindest an keine Nackedei-Szene erinnern. Sie in der Zeit in vielen seltsamen Filmen der frühen Sex-Welle mitgewirkt, mal sehen, was uns in „Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter“ oder „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh„, beite auch von 1969, so für Abenteuer erwarten, sofern ich die in die Finger kriege. Abenteuer deutsches Nachkriegskino.

Willy Millowitsch will Gila von Weitershausen an die Wäsche
„Mensch, sei doch nicht so scheiß-bürgerlich!“
Ingo Insterburg und Loni Heuser

Ein Nachteil des extrem großen Casts ist, dass die Handlung für so ne olle Klamotte echt kompliziert ist. Dauert denkt man – Moment, wer war das noch, warum macht er/sie dies oder das, was sind die Beziehungen? Man lese die grotesk lange Inhaltsangabe auf Wikipedia. Alle Nase lang werden Leute verwechselt und Pläne geschmiedet. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier um die Gastauftritte „drumrum“ geschrieben wurde, neben der üblichen Verwechslungs-Blaupause.

Die Grundprämisse ist schon recht abstrus – Carla Werner, genannt Charley, ist Fahrlehrerin. Jung und hübsch, wird ihr vom Fahrschüler (Hans Terofal, of all people) ans Knie gefasst. Sie hat es satt und kündigt, nachdem ihr Chef (Hubsi) kein Verständnis für ihre Pein hat. Ihre Freundin Lilo ist Prostituierte, diese reist für 3 Wochen in Urlaub. Sie übernimmt ihre Wohnung und schließlich auch ihren Job. Ihr erster Freier ist – Rudolf Schündler. Der prompt den Hintern versohlt bekommen will. Alter. You can’t make that shit up.

Gila von Weitershausen, Rudolf Schündler

„Hey, ich kündige meinen Job, weil ich von Hans Terofal ans Knie gefasst werde, und arbeite dann als Callgirl!“ Ich mein: Hä?

„Ich bin’s, der Karel! Ich singe jetzt mal komplett unmotiviert zwei Songs, um den Film auf 90 Minuten zu kriegen!“

Wie bereits erwähnt taucht auch Karel Gott auf, dessen zwei Songs man absitzen muss. Lustigerweise wird er, sobald er spricht, synchronisiert, wenn mich mein Ohr nicht täuscht von Gerd Duwner. Komplett sinnfreie Szene für einen Scheck von der Plattenfirma.

Nach geschlagenen 50 Minuten kommt dann der Auftritt von Heinz Erhardt als Vertreter für eine Art Raumerfrischer. Erhardt macht das beste aus dem Material, rettet den Film aber auch nicht in den paar Minuten.

Ein weiterer dieser deutschen Filme der Zeit, die man gesehen haben muss, um sie zu glauben. Immer wieder gibt es Szenen, bei denen ich mich fragte: Welche Drogen haben die sich damals reingepfiffen, um auf so was zu kommen? Auf jeden Fall durchaus interessant, wie Kurt Nachmann hier versucht, auch „die jungen Leute“, sprich: damalige Studierende, anzusprechen durch Sponti-Sprüche und Frivolitäten. Das ist schon ziemlich weit entfernt von spießigen Fleischbeschaufilmchen wie z. B. die Werke von Franz Antel – die ja kurioserweise oft auch von Nachmann geschrieben wurden, beispielsweise „Frau Wirtin bläst auch gern Trompete“. Fun fact: Nachmann hat 1969 alleine 10 (!), in Worten: zehn, Drehbücher geschrieben.

Auch wenn das schon a different kind of animal ist wie die Frau-Wirtin-Filme, merkt man durchaus, dass das Weltbild genauso altbacken und reaktionär ist wie sonst, denn die von Ingo Insterburg darstellte Figur als „Klischee-68er“ ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wenn er da in einer gemusterten 70er-Jahre-Unnerbüchs rumturnt ist das schon harte Fremdscham.

Nicht ganz so haarsträubend durchgeknallt wie „Der Bettelstudent“, aber schon ein ziemliches Brett. Hat aber mehr Brüste, Autostunts (!) und Heinz Erhardt auf der Habenseite. Immerhin.

Was man allerdings nicht erwarten darf: Einen „Heinz-Erhardt-Film“, auch wenn er groß auf dem Cover ist. Sowohl bei der alten Videoauswertung in den 80ern als auch auf der neuen DVD von Filmjuwelen, die das Originalmotiv übernommen haben. Das grenzt schon an irreführende Werbung.

Hilfe, ich bin unsichtbar! (D 1951)

Regie: E. W. Emo

Buch: Herbert Tjadens, Erwin Kreker, Kurt Werner

Produktion: Rolf Meyer / Junge Film-Union

Premiere: 7. Juli 1951

Und weiter geht die wilde Fahrt durchs deutsche Nachkriegskino. Das habe ich lange unterschätzt und weiträumig umfahren, wobei ich aber immer wieder kleine Perlen entdecke. Zudem lese ich gerade die tolle Biographie über Theo Lingen, daher war ich hier gerade im Thema. Also: Ein Theo-Lingen-Vehikel von 1951.

Fritz Sperling (Theo Lingen) spielt einen Geldeintreiber für überfällige Raten, der von Haus zu Haus geht und von säumigen Hausfrauen die 30 DM für den auf Pump gekauften Eisschrank oder ähnliches kassiert oder dies jedenfalls versucht. Neben seinem Job betätigt er sich als Hobbyforscher mit allerlei hoch technischer Gerätschaft in seiner Küche, die auch mal in besten Komödienmanier fotogen explodiert. Er findet einen Apparat, der unsichtbar macht. So treibt er allerlei Schabernack. Aber ach: Als er unsichtbar ist, geht der Apparat kaputt. Muss er nun für immer unsichtbar bleiben? Nein: Der Genuss von hochprozentigem Alkohol macht ihn zumindest zeitweise wieder sichtbar. Was wird seine Frau sagen, wenn ihr Mann entweder unsichtbar ODER betrunken ist?

Groteske Story, jepp! Find ich aber gut, endlich mal nicht der übliche Verwechslungs-08/15-Plot. Der Film nennt sich selbst im Vorspann „Filmgroteske“. Das Metzler Literatur-Lexikon schreibt: „Die Groteske vermischt demonstrativ und sinnzerstörend die Grenzen zwischen Komik und Tragik, Menschlichem und Animalischem. […] Zu den typischen Darstellungstechniken gehören: Paradoxie, Stilbruch, Metaphorik, überzeichnende Satire, nur partielle Komik, Übertreibung, Monstrosität, Exotismus, Mythisierung, Metamorphose und Phantastik“. Puh. Ich würde jetzt nicht unterschreiben, dass all das hier zutrifft, aber soweit ist es sicherlich korrekt: Es ist keine alltägliche Geschichte im deutschen Film, gerade durch das leicht phantastische Element. Der phantastische Film fristete und fristet in Deutschland leider ein Nischendasein.

Man könnte auch sagen: Es ist eine humoristische Version des klassischen „Unsichtbarer Mann“-Topos, das auch gerne als Gruselfilm wie z. B. die Universal-Version von 1933 von James Whale verwurstet wurde, deren Grundstory auf eine Geschichte von H. G. Wells zurückgeht.

Grundsätzlich lebt der Film von Theo Lingen, dem die Rolle hier offensichtlich auf den Leib geschrieben wurde. Es ist sicherlich hilfreich, wenn man ihn grundsätzlich mag und auch seine ganz eigene Art zu schätzen weiß. Er hat hier schon seine klassische „Theo Lingen“-Kunstfigur, das schlaksige, etwas arrogante, näselnde. Hier eher vom Typus „kleiner Mann von nebenan“ und nicht die üblichen Diener- und Lehrer-Figuren, die er oft spielte. Dazu kommt, dass er über weite Strecken des Films betrunken spielt, und das ist durchaus erheiternd. Er ist neben Heinz Erhardt auch bis heute mein Liebling unter den „klassischen“ deutschen Komikern. Seine Körperbeherrschung und das perfekte Timing sind immer wieder beeindruckend.

Inge Landgut (1922-1986) spielt die Ehefrau von Lingen. Sie war schon als Kind schauspielerisch aktiv und hat auch das Glück, in einem der wichtigsten frühen deutschen Filmen überhaupt mitzuwirken: Sie ist eines der Opfer in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder„. Die richtig große Karriere blieb ihr verwehrt, aber sie war bis in die 80er immer wieder mal in Film und vor allem im Fernsehen zu sehen. Auch in der Synchronisation war sie sehr aktiv.

Grethe Weiser (1903-1970) hat wie so oft eine kleine, aber durchaus vergnügliche Nebenrolle als Jugendfreundin und Inkassokundin, die als weinselige Sängerin und Möchtegern-Diva ihre Kodderschnauze zum Besten gibt.

„Da schlag ich lang hin und steh kurz wieder auf!“

Grethe Weiser als Frau Mahlow

In einer kleinen Rolle als Prof. Orsini haben wir mal wieder „Hubsi“, Hubert von Meyerinck. Hier noch mit Haaren (denke mal, das ist ne Perücke). Wir begegnen ihm bereits zum dritten Mal auf dieser Seite, ich habe bereits bei „An jedem Finger zehn“ und „Der müde Theodor“ einiges zu ihm geschrieben. Er war tatsächlich ein alter Bekannter von Theo Lingen, die beiden lernten sich bereits in den 20er Jahren in der Berliner Theaterszene kennen und wurden Freunde. (Ich kann Freunden des „alten“ deutschen Kinos wirklich nur die Theo-Lingen-Biographie „Das Spiel mit der Maske“ empfehlen. Sehr aufschlussreich.)

Hubsi als „mad scientist“
Unsichtbar oder nur nackt?

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Regisseur. „E. W. Emo„, der eigentlich Emerich Josef Wojtek hieß und im damaligen Österreich-Ungarn geboren wurde, gehörte in den 30ern, 40ern und 50ern zu den produktivsten und erfolgreichsten Komödienregisseuren überhaupt. Alleine 21 (!) Filme mit Hans Moser gehen auf sein Konto, einige davon auch mit Lingen. Dieser Film hier ist schon seinem Spätwerk zuzurechnen. Seine letzte Kino-Arbeit ist von 1958, imdb listet insgesamt 80 Filme, beginnend noch in der Stummfilmära. Ein bisschen aus der Masse an Schlager- und Liebesfilmen herausstechend ist ein Film von 1929 mit dem Titel „Zwischen vierzehn und siebzehn – Sexualnot der Jugend„, der von einem Schwangerschaftsabbruch einer 15-jährigen handelt. Nicht gerade ein Thema, das man in einem deutschen Stummfilm von 1929 erwartet.

„Hilfe, ich bin unsichtbar!“ hat meine (zugegeben geringen) Erwartungen übertroffen. Straff und gut geschrieben mit pointierten Dialogen, dazu hübsche Unsichtbar-Spezialeffekte und ein Lingen in Höchstform. Sicherlich kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber: Schöner, im Kontext der Entstehungszeit leicht „schräger“ Unterhaltungsfilm. Kann man auch heute noch goutieren. Ich hatte Spaß. Fans von Theo Lingen sollten auf jeden Fall zugreifen.

Der Film erschien 2021 vom verdienstvollen Label Filmjuwelen auf DVD.

Der müde Theodor (D 1957)

Regie: Géza von Cziffra
Buch: Franz Gribitz, Géza von Cziffra (als Peter Trenck)
Produktion: Deutsche Film Hansa
Premiere: 7. Juni 1957

Der gebürtige Ungar Géza von Cziffra (1900-1989) war in den 50ern und 60ern nicht aus dem deutschen Kino wegzudenken. Drei bis vier Filme pro Jahr produzierte er, meist im leichten Unterhaltungs-Genre, von der Komödie bis zu der damals so beliebten Schlager-Revue.

Dieser Film von ihm sticht etwas aus der Masse heraus, denn dies ist der erste Film, in dem der noch recht junge Heinz Erhardt (1909-1979) seine erste Hauptrolle in einem Spielfilm absolvierte. Endlich konnte ich auch diese Lücke mal schließen und den Film sehen. Besonders viel erwartet habe ich offen gesagt nicht, aber ich wurde positiv überrascht.

Loni Heuser und Heinz Erhardt

Lange war der Film schwer zu greifen, im Vergleich zu den anderen Erhardt-Filmen wurde er auch kaum im Fernsehen gezeigt. Erst 2013 gab es eine DVD, die leider schon lange vergriffen und teuer ist.

Erhardt spielt hier den etwas naiven, aber gutherzigen Marmeladen-Fabrikanten Theodor Hagemann, der gerne sein Geld für die Unterstützung notleidender Künstler unterschiedlicher Güte ausgibt. Seine herrische, kaufmännisch begabtere Ehefrau (die auch die Fabrik mit in die Ehe gebracht hat) macht ihm deswegen das Leben schwer. Nachdem er als Bürge eine Komplettauflage eines unverkäuflichen Gedichtbandes geschickt und in Rechnung gestellt bekommt, ist das Maß voll – Theodor wird entmündigt. (Das scheint damals erschreckend einfach gewesen zu sein.)

Um weiterhin seine eingegangenen Verpflichtungen bedienen und ein Pfand auslösen zu können, arbeitet er nachts heimlich als Kellner im Hotel „Schwarzer Adler“. Irgendwann fällt auf, dass er – wie es der Titel schon verrät – immer müde ist. Allerlei Verwicklung und Verwechslung später aber ist die heile Wirtschaftswunder-Welt wieder hergestellt, Paare finden sich, und auch der Theodor lässt endlich diesen ganzen komischen Kunstquatsch sein und wird mit ordentlichem Scheitel und Anzug zu einem richtig anständigen deutschen Fabrikanten. Da zieht sogar der Pförtner in der Fabrik ehrfürchtig den Hut. Happy End.

Renate Ewert und Ralf Wolter

Der Film gehört zu dem Schwung Remakes (damals sagte man wohl noch einfach „Neuverfilmung“), die in den 1950ern basierend auf alten Stoffen entstanden. Bereits 1936 gab es „Der müde Theodor“ im Kino, unter dem Regisseur Veit Harlan (1899-1964). Es war einer der frühen Filme von ihm, scheint auch kein besonderer Erfolg gewesen zu sein. Harlan drehte dann später u. a. den berühmt-berüchtigten NS-Propagandafilm „Jud Süß“, verständlich, dass man dann auch seine früheren Werke in der Nachkriegszeit eher mit Skepsis begegnete. Die Hauptrolle im Theodor spielte damals ein mir bis eben unbekannter Herr namens Weiß-Ferdl (1883–1949), ein heute wohl eher vergessener bayrischer Volkskomiker, der überzeugter Hitler-Fanboy der ersten Stunde war, was einer Nachkriegsvermarktung auch nicht unbedingt hilfreich war.

Der Grundstoff ist aber deutlich älter, das Autorengespann Max Ferner und Max Neal brachte das Stück schon 1913 auf die Bühnen. Beide waren erfolgreiche Autoren volkstümlicher Komödien und „Bauern-Schwänke“. Vier ihrer Werke wurden viele, viele Jahre später (ab 1992!) in Peter Steiners „Theaterstadl“ auf RTLplus zu Publikumsrennern. Verrückt. Siehe da – auf YouTube gibt es gar eine Aufzeichnung einer Theateraufführung von 1978, in der Titelrolle niemand geringeres als das Kölner Urgestein Willy Millowitsch (1909-1999).

Schon 1918 gab es eine stumme Verfilmung, die auf dem Theaterstück basierte. Regisseur war dort ein Leo Peukert (1885–1944), die Hauptrolle spielte ein gewisser Conrad Dreher (1859–1944), der nur von 1915 bis 1921 im Film tätig war (unter anderem in einem Film mit dem schönen Titel „Der Mann mit dem Affenkopf“ von 1920, was mag sich dahinter verbergen?). Über den Film ist kaum was zu finden, gehe mal davon aus, dass er verschollen ist. Die Deutsche Kinemathek hat noch ein Plakat des Films im Archiv. Peukert war ein vielbeschäftigter Herr, der schon zu Stummfilmzeiten ein populärer Komiker war und später als Komödien-Spezialist galt, bis er recht jung 1944 starb.

Kurz gesagt: Ganz schon angestaubte Mottenkiste also. Aber siehe da – der Film funktioniert trotzdem auch heute noch erstaunlich gut. Natürlich ist die Story altbacken, mit den üblichen Verwicklungen und Verwechslungen, und mit einer etwas fragwürdigen, aber wohl typisch deutschen Moral (Kunst bäh, Arbeit geil).

Er lebt eindeutig von der Performance von Erhardt, der hier schon seine übliche Filmpersona erstaunlich gut ausgebaut hat. Wortspielereien, Versprecher, Gestik und Mimik, eine Prise Slapstick, alles schon da. Selbst zwei Gesangseinlagen am Klavier sind dabei. Und der unverkäufliche Gedichtband, aus dem er direkt auch vorliest – ich würde wetten, dass er die Kostproben aus „Nachtnebel und Sonnenstäubchen“ selbst geschrieben hat. Ebenfalls 1957 erschien dann Witwer mit 5 Töchtern, danach ging es richtig los mit seiner Filmkarriere.

Einzelne Szenen lassen allerdings durchaus erkennen, dass wir uns tief im weltanschaulichen Mustopf befinden. Frau Hagemann will ihren spinnerten Ehemann einer Therapie entziehen und begibt sich zu einem Nervenarzt namens Link (Franz-Otto Krüger), der natürlich selbst irgendwie spinnert und „komisch“ gezeichnet wird. Er ferndiagnostiziert einen „abstrakten Komplex“. Es entwickelt sich folgender bemerkenswerter Dialog:

Arzt: „Also… ihr Herr Gemahl dürfte einen abstrakten Komplex haben. Den müssen wir natürlich seelenkundlich analysieren. Sagen Sie, gnädige Frau, glauben Sie, dass ihr Herr Gemahl irgendwelche verdrängten Komplexe hat, irgendwelche, ähm, unterdrückten Kindheitserlebnisse? Vielleicht auf sexuellem Gebiet?“

Frau Hagemann, entrüstet: „Sein einziges Erlebnis bin ich! Dafür garantiere ich Ihnen!“

Arzt: „Jaja, natürlich, selbstverständlich, das ist mir vollkommen klar, aber, äh, sie müssen schon verstehen, die Sprache der Psychoanalyse ist für einen Laien ein wenig unverständlich.“

Frau Hagemann, noch entrüsteter: „Das merke ich.“

Aber der „verrückte“ Theodor mit dem Kunstfimmel soll dennoch mal zu ihm. Als Vorwand soll Frau Hagemann sagen, der Arzt sei ebenfalls Kunstsammler, was er wohl auch ist. Denn aus irgendeinem Grund hat er im Nebenraum seiner Praxis, nur durch eine Schiebetür getrennt, moderne Kunst ausgestellt. Er öffnet die Tür, unheilvolle Musik erklingt (!), Frau Hagemann schaut sich um, als wäre es ein SM-Folterkeller, und sagt, mit entsetzter Stimme: „Danke – ich habe genug gesehen“, und rauscht von dannen.

Der Nervenarzt sammelt also „entartete Kunst“. Naja.

Der Film schafft es, in nur einer kurzen Szene sowohl die Psychoanalyse als auch „moderne“ Kunst als schlecht, gar abartig darzustellen, Respekt. Wenn die Szene anno 1936 so im Film und nicht im ursprünglichen Theaterstück war, hat das einen sehr unschönen Beigeschmack, Stichwort „entartete“ Kunst. Im besten Fall ist es urdeutsche Spießigkeit und Verklemmtheit.

Bisschen Xenophobie muss auch sein. Im Hotel ist auch ein Italiener zu Gast, der – natürlich – Spaghetti bestellt, die Erhardt als Kellner aufs Zimmer servieren soll. Natürlich ist er wie alle „Südländer“ ein alter Lustknabe und will der keuschen Lilo an die Wäsche.

„Nur Küssken. Nur kleine Küssken! Als Odövre für Spaghetti. Kleines Küssken.“

Notgeiler Italiener aus dem Grusel-Stereotyp-Baukasten

Als dem kleinen „Küssken“ wird schwupps eine übergriffige Begrapschung. Gut, dass der Kellner gerade ohne Anzuklopfen reinkommt, was den heißblütigen Italiener prompt zu einer Schimpfarie provoziert, er will sich telefonisch beim Hoteldirektor beschweren. Lilo kommt da die servierte Schüssel Pasta gerade recht. Drauf damit auf die Italiener-Rübe, ha! Immer diese notgeilen Ausländer, die keuschen deutschen Mädels an den Baumwoll-Schlüppi wollen. Was für ein feinsinniger Gag! Ich hab jetzt noch Seitenstechen vom Lachen. (Die bittere Wahrheit ist allerdings auch – das ist im Vergleich zu dem, was man teils in den 70ern oder 80ern, gerade in LISA-Film-Produktionen, an rassistischen oder fremdenfeindlichen Gags so sieht, recht harmlos.)

Schauen wir doch mal, wer hier so alles mitwirkt. Interessant, wie viele Größen der 70er-Jahre-Komödie hier schon auftauchen. Einige davon kamen hier auf der Seite auch schon zu Ehren. Also, schaun wir mal.

Peter Weck (* 1930) mit zarten 27 Jahren in einer größeren Rolle als „Felix“, dem love interest von Tochter Hagemann (Karin Baal). Er spielte in den 60ern und 70ern in allerlei Lustspiel- und Schlager-Gedöns mit und führte hier und da auch mal Regie. In den 80ern gewann er mit dem charmanten und heute noch populären ZDF-Serienklassiker „Ich heirate eine Familie“ eine neue Generation an Fans. Aktuell in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Peter Weck, Karin Baal

Der damals omnipräsente Ralf Wolter (* 1926) spielt hier einen Gerichtsvollzieher – der Beginn einer fruchtbaren Kooperation mit Heinz Erhardt. Die beiden sollten sich noch in vielen weiteren Filmen begegnen, bis sie in „Was ist denn bloß mit Willi los?“ (1970) gar zu Kollegen und Mitbewohnern wurden.

Heinz und Hubsi

Den herrlich exaltierten Hubert von Meyerinck (1896- 1971) hatten wir ja neulich auch schon mal im Film „An jedem Finger zehn„. Hier haben wir das meines Wissens einzige Zusammentreffen von „Hubsi“ mit Erhardt, als Schulkamerad und Arbeitsvermittler. Was eigentlich schade ist – die beiden haben eine gute Chemie und einige sehr schöne Szenen zusammen. Er bildet ihn als Ober aus – ein echtes Highlight des Films. (In Franz Antels Komödiengurke „Otto ist auf Frauen scharf“ (1968) sollten sie beide noch mal in einem Film mitspielen, aber ich meine, nie in einer Szene. Meine Erinnerung ist allerdings dunkel.)

Selbst Balduin Baas (1922-2006) ist – kaum erkennbar mit mehr oder weniger vollem Haupthaar – in einer kleinen Rolle zu sehen. Hier noch ganz am Anfang seiner Karriere, sollte er in vielen Komödien kleine, meist skurril bis schrullig angelegt Rollen spielen. Am bekanntesten dürfte heute noch die Figur des „Studienrat Blaumeier“ in den Lümmel-Filmen der 70er sein. Aber auch in Loriots „Pappa Ante Portas“ (1991) ist er noch zu bewundern. (Und bei „Derrick“ selbstverständlich.)

Werner Finck, Balduin Baas

Fazit – ziemlich angestaubte, teilweise weltbildlich fragwürdige, aber auch streckenweise sehr witzige Lustspiel-Kuriosität. Für Heinz-Erhardt-Fans und Komödien-Archäologen schon aus historischen Gründen ein Muss – ansonsten eher auf der verzichtbaren Seite. Einmal sehen reicht.

Darf in keiner alter Komödie fehlen: Die ohnmächtige Dame und das Riechsalz
Mit ordentlicher Haarfrisur geht es stolz der bundesdeutschen Glückseligkeit entgegen. Schaffe, schaffe, Häusle baue! Kunst ist nur was für Gammler und Studenten.

An jedem Finger zehn (D 1954)

Regie: Erik Ode
Buch: Per Schwenzen, Joachim Wedekind
Produktion: Aldo von Pinelli, Peter Schaeffers für Melodie-Film, Berlin
Premiere: 28. Oktober 1954

Erik Ode… das war doch „Der Kommissar“ in der langlebigen gleichnamigen Serie. Ja, und in den 50ern und 60ern feierte er durchaus auch als Regisseur Erfolge. Das war mir neu und machte mich neugierig.

Irgendwie habe ich einen Krimi erwartet, aber weit gefehlt – Ode war Spezialist für das sehr populäre Genre Schlagerfilm, das so grob von 1950 bis 1970 für heile Welt und gute Laune in den bundesdeutschen Lichtspielhäusern sorgte. Die allermeisten sind leichte Unterhaltung und heute – wohl nicht ganz zu Unrecht – weitestgehend vergessen.

Erik Ode hat nicht weniger als 22 (!) solcher Filme von 1950 bis 1961 in die Kinos gebracht. In den 60ern folgten vermehrt Arbeiten fürs Fernsehen, bevor er dann zum Kult-Kommissar wurde.

Nun ist das nicht wirklich ein Genre, das bei mir besonderes Interesse auslöst (wenn überhaupt, dann aus den durchgeknallten 70ern und nicht aus den biederen 50ern), aber was soll ich sagen: Der Film war nicht so unerträglich wie befürchtet. Flott inszeniert, die Musik ist meist im Big-Band-Sound und viele bekannte Stars geben sich für Cameos die Klinke in die Hand. Optisch ist das alles leider sehr bieder und „fernseh-mäßig“ gefilmt, nur vereinzelt gibt es reizvolle Bilder. Im Prinzip ist das auch eine Fernseharbeit, nur 1954 ging man mangels eigener Mattscheibe zuhause noch für so was ins Kino.

Viele der Stars und Sternchen sind mir leider unbekannt, für mich stach Walter Giller (1927-2011) heraus, der eine der Hauptrollen hat und wie immer mit keck-flotten Sprüchen zu unterhalten weiß. Ruth Stephan, eine feste Größe in den Komödien der 70er von Lümmel-Film bis Heinz Erhardt, ist hier noch sehr jung kurz als Sketchpartnerin von niemand geringerem als dem Urgestein Hans Albers (1891-1960) zu sehen.

Ein weiterer Herr kam mir bekannt vor, auch wenn ich keinen Namen parat hatte – es gewisser Hubert von Meyerinck (1896–1971), der auch noch in den 1960ern durchs deutsche Kino geisterte und in kleinen Rollen auch z. B. in Edgar-Wallace-Filmen zu sehen ist. Sein markantes Gesicht, oft mit Glatze und Monokel, und seine schnarrende Stimme stechen doch aus der Masse heraus. Auch wenn er oft wie ein verkappter Preußen-General wirkt und auch gerne als Schurke besetzt wurde, war er im echten Leben offen homosexuell und wurde wohl nur „Hubsi“ genannt. Mal wieder die Lektion: Äußerlichkeiten können täuschen. (Wann genau sein Outing war, konnte ich auf die Schnelle nicht ermitteln. Kurios, denn er spielte auch während der NS-Diktatur munter weiter, im Kino und als Beispiel auch 1943 den Mephisto am Berliner Schillertheater. Entweder wurde das erst später öffentlich oder jemand hat da bewusst weggeschaut. Interessantes Thema, warum gibt es dazu noch kein Biopic? Das würde jede Filmförderung mit Kusshand durchwinken.)

Neugierig war ich auch, wer der dunkelhäutige Sänger ist, der hier als exotische Abwechslung feilgeboten wird. Der Herr hieß Kenneth Spencer (1911–1964). Nach ersten Erfolgen am Broadway emigrierte er 1951 von den USA nach Deutschland und tauchte daraufhin in den 50ern öfter mal in solchen Schlagerfilmen auf. 1964 kam er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Hier darf er etwas trommeln und später im Film sein eindrucksvolles Bass-Bariton-Organ erschallen lassen.

Gerade in der zweiten Hälfte tritt die eh nur dünne Handlung endgültig zurück und wir erleben eine Art Nummernrevue mit einzelnen Sketchen und Musik- und Tanznummern unterschiedlicher Güte.

Historisch ganz interessant, mehr aber kaum. Die Generation, die sich das aus wohlgesonnener Nostalgie anschaut, dürfte auch langsam aber sicher aussterben. Auch solche Filme gehören zur deutschen Kinogeschichte. Quasi das MTV der Nachkriegszeit – man ging ins Kino, bisschen Plaudern und Freunde treffen, nebenbei gab es etwas aktuelle Musik, paar flotte Sprüche und modische Inspirationen. Beim Shoppen konnte man sich dann die passende Schellack-Platte dazu kaufen. Der titelgebende Mambo existiert wohl in mehreren Fassungen, einmal die, die im Film zu hören ist (Bibi Johns & Die Starlets) und einmal eine klangtechnisch bessere von „Werner Müller und das Rias-Tanzorchester, Berlin“.

Dieses Zeitdokument erschien tatsächlich nie als VHS oder DVD und lief zuletzt 1963 im ZDF. Bis zur Ausstrahlung 2007 auf „Premiere Nostalgie“ (alles laut ofdb), wo auch immer die das Teil ausgegraben haben. Das wird wohl die aktuellste Quelle sein, denn der Film ist problemlos (und auch vermutlich inzwischen legal) im Netz auf den üblichen Videoplattformen zu finden.

„An jedem Finger zehn

ja das wär schön

man muss es nur verstehen

das Ding zu dreh’n“

Ruth Stephan und Hans Albers