Titel auf DVD: Verführt – Fatal Online Affair
Regie: Michael Karen
Buch: Natalie Scharf, Steve Kallaugher
Produktion: Valerian Film / SAT1
Premiere: 2. März 1999
Auf diesen obskuren Film stieß ich durch Zufall in den berühmten Grabbelkisten. Es gibt keine Infos auf Wikipedia, nicht mal einen Eintrag, und das bei den doch relativ namhaften Darsteller*innen. Neugierig, wie ich bin, schließe ich mal diese Lücke im deutschen Filmschaffen. Tatsächlich fand ich das Thema auch interessant, schließlich war das Internet 1999 immer noch neu und aufregend, und hier geht es um Chats, Online-Dating und Sexting anno 1999. Also auch „historisch-technisch“ eine interessante Sache.
Die Hauptrolle spielt Katja Woywood (* 1971), die man heute eher aus behäbigen Serien der öffentlich-rechtlichen kennt, früher vielleicht am bekanntesten durch ihre langjährige Rolle in Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei. Jüngere werden sie vielleicht primär durch die 9. Staffel der Serie Pastewka (2019) kennen. Katja Riemann und Peter Sattmann sind auch keine Unbekannten und in vielen vielen Serien und Filmen zu sehen, durchaus ein hochkarätiger Cast für so einen obskuren TV-Film.
Natürlich schwimmt der Film noch auf der Welle der unzähligen „Erotikthriller“, die nach dem Erfolg von „Basic Instinct“ (1992) die Kinos und das deutsche Privatfernsehen bevölkerten.
Doch erst mal kurz zur Handlung. Die junge Sonia (Katja Woywood) liefert Pizza aus, ist aber unzuverlässig. Ihre ältere Schwester Karin (Ragna Pitoll), tagsüber biedere Bürochefin, hängt abends gerne in zwielichtigen Chatrooms in dieser verrückten neuen Erfindung namens Internet rum, schaut pixelige Schweinkram-Filmchen und verabredet sich mit fremden Männern. Eines Abends bleibt sie verschwunden, ihre Schwester macht sich auf die Suche nach ihr und verabredet sich nach und nach mit allen Typen aus diesem Chatroom, um auf ihre Spur zu kommen.
Natürlich ist der Film auch als technische Zeitreise spannend. Riesige graue Computer und das gaaanz frühe Internet, natürlich alles ziemlich unrealistisch und sehr offensichtlich nicht „echt“. Auch die Inhalte des „heißen Chats“ sind eher komisch denn erregend, aber seht selbst:



„Haha, meine Schwester treibt es mit einem PC!“
Tatsächlich war ich überrascht, wie „zeigefreudig“ Frau Woywood hier ist, kennt man sie doch eher aus bieder-spießigen ZDF-Serien. Im ersten Akt läuft sie sehr plakativ auf „jung“ getrimmt durch die Gegend, mit Spangen im Haar und so einer komischen Brause-Halskette, und eigentlich immer mit ziemlich wenig Sachen an. Als würde sie in einem „Schulmädchenreport“ mitspielen, bisschen weird. Vielleicht sollte das der „90er-Techno-Raver-Girl“-Look sein.
Im Lauf des Films wird sie dann immer „taffer“ und „erwachsener“ angezogen, um da eine Art Entwicklung oder Reifung anzudeuten. Na denn.


Quasi als „Wendepunkt“ ziemlich in der Mitte des Films gibt eine Strip-Szene von ihr. Ihr Kumpel filmt sie dabei und es wird ins Netz übertragen, um sich Zugang zu diesem „geheimen“ Chatroom zu verschaffen und dort weiter nach der verschollenen Schwester zu forschen. Ich sage mal so: Es bleibt schon wenig der Fantasie überlassen.



Nach einigen offensichtlichen „Nieten“ unter den Verdächtigen gerät sie schließlich an den etwas schleimigen Juppie (Peter Sattmann), der sich Valentino nennt, ist er der geheimnisvolle Typ, der was mit ihrer Schwester hatte? Im Laufe der Ermittlungen hocken die beiden auch mal im Adamskostüm in der Sauna.


Also wird mit nackter Haut nicht gegeizt. Aber der Schwerpunkt liegt doch auf der Krimihandlung.
Solider, erotisch angehauchter Thriller mit einigen wirklich spannenden Szenen und pfiffigen Wendungen, ich war eher positiv überrascht. Das Finale ist recht ruppig, fast schon ins Horror-Genre reichend. Hab wirklich schon deutlich schlechtere amerikanische Thriller gesehen.
Er krankt natürlich an dem heute etwas cheesy wirkenden 90er-TV-Look. Aber sowohl Kamera und Regie als auch die schauspielerischen Leistungen sind doch über deutscher TV-Einheitskost. Einzig der ziemlich belanglose und sehr nach Plastik klingende 08/15-Soundtrack stört etwas.
Für Fans von Katja Woywood dürfte das Pflichtprogramm sein. Wenn man’s denn findet, denn die obskure DVD vom Label „epiX“ ist von 2004 und seit ewig out of print. Bei Amazon Prime ist er gelistet, aber „nicht verfügbar“. Er lief damals auf SAT1, keine Ahnung, ob es da eine Art Mediathek gibt?
Auf der DVD steht auch was von „Director’s Cut“, tatsächlich hat SAT1 das für die Prime-Time-Ausstrahlung bisschen „entschärft“ in den erotischen Szenen. Dazu gibt es einen Audiokommentar sowie „ungekürzte Szenen“ (nichts wildes) und Casting-Videos. Für so eine alte DVD von einem Fernsehfilm schon beachtlich.
Der Audiokommentar ist ziemlich aufschlussreich. So erfahren wir zum Beispiel, dass das Drehbuch ursprünglich aus den USA stammt und von Drehbuchautorin Natalie Scharf überarbeitet und auf deutsche Verhältnisse umgearbeitet wurde. Das stimmige Drehbuch ist tatsächlich eine Stärke des Films, gut gemacht. Es war eine ihre ersten Arbeiten, sie ist bis heute als Autorin für Drehbücher und Jugendbücher erfolgreich im Geschäft.
Noch eine kleine Anmerkung für alle Fans von Familie Heinz Becker – ich habe mich sehr amüsiert, hier Matthias Zelic zu sehen, der in der Serie öfter mal kleine Rollen übernimmt. Hier ist er – ohne Brille – als notgeiler Typ aus dem Chat zu sehen, der über den Geschmack von Früchten philosophiert.
„Am liebsten sauge ich den Saft gleich aus der Frucht raus. Wenn er dann von meinen Lippen tropft … wusstest du, dass jede Frucht ihren Eigengeschmack hat, Sandra? Nur einmal mit der Zunge spüren, und ich weiß sofort, ob sie alt oder jung ist.“
Ihre Antwort: „Was soll denn dieses Schwachsinnsgelaber?“
Lol.
