Die Senkrechtstarter (D 1989)

Regie: Christian Rateuke
Buch: Paul Nicholas (Idee), Christian Rateuke, Christoph Treutwein
Produktion: Werner Mietzner, Wolf Bauer für UFA und SFB
Premiere: 26. Januar 1989

Eine der Komödien mit Mike Krüger, die immer etwas unter dem Radar fliegt. Während die Filme gemeinsam mit Thomas Gottschalk schon als „Kult“ gehandelt werden und auch als DVD bei Müller im Regal stehen, kennen diesen hier nur wirkliche Spezialisten – was wohl vor allem daran liegt, dass es ihn bis heute (Stand August 2023) nur als VHS-Kassette (nur für Verleih) gibt, er ist nie als DVD oder gar digital erschienen. Über die Gründe kann man nur spekulieren – ganz banales Rechteproblem oder ist der Film so grottig, dass er einfach dem Vergessen anheim gefallen ist? Finden wir es heraus. Die Kassette ist mir bislang nie zugelaufen, aber ein netter Mensch hat sich die Arbeit gemacht und einen digitalen Mitschnitt des Tapes auf YouTube hochgeladen.

Es ist auch sozusagen der letzte Ausläufer der „Mike-Krüger-Reihe“, wenn man so will, es sollte für lange Zeit sein letzter Kinofilm sein, und auch die letzte Hauptrolle. Die Zeit war abgelaufen.

Der Film spielt in der fiktiven Zukunft des Jahres 1999. Schon mal der erste (unfreiwillige) Lacher. Erste Szenen in einem Supermarkt, die ganze Welt ist auf schnellen Konsum ausgelegt, aber es gibt auch Eier vom Bauernhof, „wie früher“. Ja, Konsumkritik ist hier ein Hauptthema, wenn auch sehr mit dem Holzhammer.

Die Story kreist sich um Egon (Christina Plate), was trotz des Namens eine junge Frau ist. Diese wird beim Betrug mit Kreditkarten erwischt von einem halbseidenen Detektiv erwischt – und anschließend erpresst. Er benötigt Leute, die für ihn den „Rückholer“ machen. Der Off-Erzähler lässt uns wissen, dass das ein neuer Beruf ist, das sind die Leute, die auf Raten gekaufte Gegenstände, die im Zahlungsrückstand sind, wieder zurückholen. Aus der Not geboren lässt sie sich darauf ein. Ihre Zufallsbekanntschaft Mike (Mike Krüger) bittet sie um Hilfe, ohne ihm die Wahrheit zu sagen, und die heiter gemeinten Episoden beginnen. Zwischendurch schaut auch der Kumpel von Mike, ein gewisser Löffler (Karl Dall) vorbei, um ebenfalls Heiterkeit zu inspirieren. (Die Szenen mit Dall waren für mich kleine Highlights, denn selbst lahme Sprüche aus dem Drehbuch kann Dall immer noch den kleinen Kniff geben. Egal, was Dall sagt, es ist immer ein bisschen lustig, einfach, weil er er ist.)

Natürlich entsteht noch ein Liebes-Subplot zwischen Egon und Mike. Die Lage wird im zweiten Akt dramatisch, Mike will sich irgendwann sogar umbringen. Was vielleicht die schwarzhumorigsten und damit lustigsten Szenen des Films sind. Auch wenn er mit Metallrohr durch ein schweres Gewitter auf einem Brückengeländer balanciert, es sterben nur alle Menschen um ihn herum.

Drehbuch und Regie dieses Werks sind heute alle nahezu vergessen, immer schon ein schlechtes Zeichen, wenn die Links in Wikipedia rot sind. Als Regisseur zeichnet sich ein Christian Rateuke (* 1943) verantwortlich, der zuvor schon einige Filme mit Dieter Hallervorden gedreht hat (ein Jahr zuvor z. B. „Der Experte“), es war sein letzter Kinofilm. Er hat auch das Drehbuch zusammen mit Christoph Treutwein, der wohl primär als Autor von lustigen Büchern bekannt ist, geschrieben, nach einer Idee von Paul Nicholas.

Christina Plate (* 1965), als Egon eine der Hauptrollen, war mir nicht wirklich ein Begriff. Sie fand mehr in den zeitgenössischen Fernsehserien statt, fast zeitgleich zu diesem Film zum Beispiel in der „Schwarzwaldklinik“, vorher in einer größeren Rolle in „Praxis Bülowbogen“. Ansonsten die klassische Öffentlich-Rechtliches-Fernsehen-Karriere. Ein paar Derricks in den 90ern, und als Kirsche auf der Torte: Das Traumschiff. Random fact: 2004 war sie nackend im Playboy, wie Wikipedia vermeldet. Na denn.

Der Antagonist des Films, der schmierlappige Anzugträger, wird von András Fricsay (* 1942) gegeben. Der Name sagte mir nichts, aber seine markante „finstere“ Erscheinung ist wohlbekannt. Und tatsächlich, neben viel Theater und „richtigen“ Filmen spielte er z. B. auch in „Zwei Nasen tanken Super“ mit, und – natürlich – auch in einigen Derrick-Episoden. Kuriosum für alle Klassik-Freunde: Er ist tatsächlich ein Sohn des berühmten Dirigenten Ferenc Fricsay (1914-1963), wer hätte es gedacht.

In einer kleinen Ein-Zeilen-Rolle ist hier noch mal Herbert Weißbach (1901-1995) zu sehen, der uns hier schon öfter vor die Linse gelaufen ist, ein Urgestein des deutschen Nachkriegsfilms, heute wohl am bekanntesten in „Unser Willi ist der Beste“ als Ex-Kollege von Heinz Erhardt oder in der Altenheim-Szene in „Otto – Der Film“. Auch sonst tauchen immer wieder mal bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen auf, aber meist so kurz, dass es kaum der Rede wert ist.

Wir sehen hier die letzten Zuckungen der BRD-Nachkriegskomödie, quasi das Gegenstück zu dem ähnlich obskuren, hier schon besprochenen Film „Big Mäc“ (1985) mit Gottschalk, oder auch sein Rohrkrepierer „Eine Frau namens Harry“ (1990).

Platte Gags, ein paar kraft- und saftlose Actionszenen, mit furchtbarer Spät-80er-Dudelmucke verziert. (Die Musik stammt von Jürgen Knieper, dazu ein Fun Fact: Er hat auch die Titelmelodie der Lindenstraße komponiert, wohl sein nachhaltigstes Werk.)

Hier und da gibt es kleine Science-Fiction-Elemente, die wohl am interessanten an dem ganzen Quark sind. So ist im Supermarkt keine Barzahlung mehr möglich. Mike versucht es, und wird prompt als verdächtige Person über die Durchsage gemeldet und die Polizei erscheint. Die Einkäufe laufen durch eine Schleuse und sind anschließend in einer Art großen Plastiksack verpackt und direkt bezahlt. Selbst der Backofen redet, eine frühe Ahnung von Alexa. Für eine richtige Dystopie ist gar alles jedoch nur halbgar, gut, sollte ja eine Komödie werden.

Muss man schon hartgesottener Fan von Mike Krüger oder Karl Dall sein, oder leidensfähiger Chronist, um sich das hier reinzutun. Gut, das gilt im Prinzip für alle seine Filme, so „kultig“ (ein heute sehr überstrapaziertes Wort) sie auch sind. Auch dieser wird sicherlich irgendwann als Blu-ray ausgewertet. Es ist allerdings auch keine Produktion der Lisa Film wie viele andere, z. B. auch der gut 2 Jahre zuvor entstandene „Geld oder Leber“, sondern eine Co-Produktion der UFA und dem Sender Freies Berlin (SFB), den es in der Form seit 2003 nicht mehr gibt (im RBB aufgegangen). Vielleicht liegt da ein Problem mit den Rechten? Reine Spekulation. Gut, viel hätte die Welt auch nicht verpasst, wenn es die Obskurität bleibt, die er heute ist.

Vielleicht sind ein paar Außenszenen noch für Berlin-Nostalgiker interessiert, denn er wird im damaligen Noch-West-Berlin gedreht worden sein. (Fürs Lichtequipment ist die „Berliner Union-Film“ im Abspann verzeichnet, da hat man doch direkt Dieter Thomas Heck im Ohr. In ihrem Zett Deh Eff.)

Physikalisch greifbar ist er nur als Verleih-Tape von 1989 (Nummer ST 22-387), erschienen bei Starlight. Ach ja, imdb-Score: 3,1/10. Das ist selbst für das Genre „Deutsche Komödie“ schon hart.

Geld oder Leber! (D 1986)

Regie: Dieter Pröttel
Buch: Mike Krüger, Christoph Treutwein
Produktion: Lisa Film (Karl Spiehs), Roxy Film (Ludwig Waldleitner), Bayerischer Rundfunk
Premiere: 14. August 1986

Lisa-Film hatte in den 80ern echt einen Lauf – ein Kassenschlager nach dem anderen. 1984 hatten sie mit den „Supernasen“ Thomas Gottschalk und Mike Krüger einen großen Erfolg, der auch (neben einer Fortsetzungen) zu allerlei Filmen mit Gottschalk und Krüger einzeln führten. Einer davon ist „Geld oder Leber!“, 1986 von Dieter Pröttel in Szene gesetzt, der auch „Die Supernasen“ gedreht hatte. Leider war es auch sein letzter Kinofilm, seitdem arbeitete er im Fernsehen. In den 70ern führte er oft bei Rudi Carrell Regie, so bei gleich 18 Folgen der klassischen „Rudi Carrell Show“ von 1966 bis 1973. Carrell war berüchtigt für seinen Perfektionismus bis hin zu Ausrastern, eine harte Schule!

Hier haben wir nun aber Mike Krüger (der viele Jahre später bei „Sieben Tage, sieben Köpfe“ wieder mit Carrell zusammenarbeiten sollte, die deutsche Medienwelt ist ein Dorf), der, frisch zu Supernasen-Ruhm gelangt, seine zweite Hauptrolle in einem Spielfilm spielen darf. Mit Pröttel drehte er nämlich schon 1985 den etwas vergessenen Film „Seitenstechen“. Dort wird er als Mann schwanger, und „Junior“ (1994) mit Arnold Schwarzenegger ist quasi ein Remake davon. Kurios. Hier ein Trailer.

Nun aber genug der Abschweifung (Rudi Carrell und Arnold Schwarzenegger in einem Text, muss man auch erst mal schaffen).

„Geld oder Leber!“ ist eine kleine deutsche Komödie, die durchaus sympathisch anfängt mit der Geschichte von Mike und seiner Liebschaft, die aufgrund chronischer Pleiteritis entschließen, eine Bank zu überfallen. Diese Überfälle gehen auf verschiedenste Weise schief, und sind eine Art Running Gag des Films, und sind auch zum Teil wirklich witzig, hier und da fast surreal. Hier und da hat es fast etwas Zucker-Abrahams-Zucker-Vibes.

Schließlich gelingt es ihnen doch, etwas Schmuck mitgehen zu lassen, der am Ende in einer toten Gans (ja, echt) landet, die vom Metzger weiterverkauft wird, der von der kostbaren Einlage nichts ahnt. Also steht auf dem Programm: Die Suche nach der goldenen Gans. Sieben Haushalte kommen in Frage, die nach und nach abgeklappert werden.

Bemerkenswert sind hier auch die vielen, vielen kleinen Gastauftritte deutscher Schauspieler und Spaßnasen. Lotti Krekel. Christine Schuberth. Jochen Busse. Hans Clarin. Raimund Harmstorf. Die dünne Hälfte von Klaus und Klaus. What a cast!

Leider zerfasert der Film immer mehr und schleppt sich träge über seine 80 Minuten, und wird mehr zur Sketchparade ohne wirklichen roten Faden. Jede Szene arbeitet auf einen Gag zu, und dafür sind zu viele Knallfrösche darunter. Der ganze Abschnitt rund um Falco, der hier eine der Hauptrollen innehat, nervte mich einfach nur, auch wenn der selbstironische Auftritt durchaus sympathisch ist (auch wenn er komplett zugekokst wirkt, keine Ahnung, vielleicht war der einfach so von Natur aus).

Der Soundtrack besteht überwiegend aus Songs von Falco und Erste Allgemeine Verunsicherung („Ba-ba-ba-ba-Banküberfall!“). Kann man mögen, muss man aber nicht.

Ein Kurisum deutschen Filmschaffens der Achtziger, durchaus sympathisch in seiner naiv-lustigen, tapsigen Art mit einigen guten Gags, aber über 80 Minuten mitunter nur schwer zu ertragen. Wobei – ich denke, unter den ganzen 80er-Humorerzeugnissen aus Deutschland ist das immer noch einer der besseren.

„Sie haben wohl Elefantenarsch mit Birne gegessen!“

VHS: Starlight Video
DVD: Marketing („Lisafilm Kultklassiker“) und andere
Stream: Amazon Prime (Stand 28.06.: 3,99 leihen, 9,99 kaufen)