Klassenkeile (D 1969)

Regie: Franz Josef Gottlieb
Buch: Kurt Nachmann, Paul Hengge
Produzent: Horst Wendlandt / Rialto Film, Berlin
Premiere: 28. März 1969

1968 gelang der Franz Seitz Filmproduktion mit „Die Lümmel von der ersten Bank“ ein Überraschungserfolg. Neben den insgesamt sechs „offiziellen“ Fortsetzungen versuchten auch andere Produktionsstudios, ein Stück vom Kuchen abzuhaben. Lisa Film versuchte sein Glück mit dem hier bereits behandelten Immer Ärger mit den Paukern im Oktober 1968. Der immer geschäftstüchtige Horst Wendlandt (1922-2002) mit seiner Rialto Film erkannte die Chance, und warf nun seinerseits auch „Paukerfilme“ ins Rennen. Am 28. März 1969 feierte „Klassenkeile“ Premiere, nachdem er bereits am zweiten „offiziellen“ Teil beteiligt war.

Dies ist also einer der Filme der Reihe, mit denen Franz Seitz nichts zu tun hatte. Mit Uschi Glas gelang es, einen der damaligen Kassenmagneten zu verpflichten, und in kleinen Rollen sind hier einige der Schauspieler zu sehen, die auch bei der Konkurrenz mitwirkten, vor allem Rudolf Schündler und Hans Terofal, die uns hier ja schon zur Genüge vor die Linse gelaufen sind.

Das Drehbuch schrieb mal wieder die bewährte Kraft Kurt Nachmann zusammen mit einem gewissen Paul Hengge, der mir bis eben unbekannt war. Er war zu der Zeit fest bei Rialto Film angestellt und schrieb einiges an Skripten, von einzigen Edgar-Wallace-Filmen bis hin zu aufklärerischen Obskuritäten wie „Van de Velde: Das Leben zu zweit – Die Sexualität in der Ehe“ (1969).

Mal sehen, was die beiden sich da ausgedacht haben. Wir lernen Manuela (Anita Kupsch) kennen, die in der Schule vor allem durch Unwissen und Aufsässigkeit glänzt. Nach einem weiteren Streich fliegt sie von der Schule, sie hat eh keine Lust auf Abitur und will lieber ihren Freund, einen Obst- und Gemüsehändler, heiraten.

Derweil sitzt Katja (Uschi Glas) im Büro, sie ist Nachwuchsjournalistin und schreibt eine Reportage über die heutige Schule, basierend auf den Erlebnissen ihrer Freundin Manuela. Sie ist bekanntlich gerade geflogen, und Katja beschließt, sich selbst als Schülerin in eine 13. Klasse unter dem Namen von Manuela einzuschleusen und aus erster Hand zu recherchieren. Verwechslungskomödie incoming, die Dinger hat Kurt Nachmann echt im Akkord geschrieben.

Natürlich gibt es einen „coolen“ Lehrer, Dr. Wagner (Walter Giller), den unbeliebten Streber, ein komisch schiefgehendes Chemie-Experiment und generell viele der klassischen plot points des Genres werden aufgegriffen. Der „coole“ Lehrer wird natürlich vom alteingesessenen Lehrkörper scheel angekuckt, sie wollen ihn loswerden, die Schüler*innen wollen dies verhindern. Man könnte es etwas böse formulieren: Es ist eine billige Raubkopie der originalen „Lümmel“-Filme, gemischt mit einem guten Schluck „Feuerzangenbowle“. Die dünne Handlung wird episodenhaft durch mehr oder weniger originelle Streiche gestreckt.

Rudolf Schündler spielt hier auch einen Lehrer namens Dr. Krapp-Krapproth, einer der größeren Rollen, der direkt mit diesem wunderbar absurdem Monolog auffällt und einem noch heute daran erinnert, welches Geistes Kind der Lehrkörper dieser Zeit war. Diese Filme entstanden zu einer Zeit des Umbruchs, Stichwort „Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren“. Dr. Krapp-Krapproth trifft den Direktor auf dem Flur und beklagt sich:

„Schon wieder, es ist unerhört! Herr Direktor, ich unterrichte gerade deutsche Geschichte – was heißt deutsch – preußische Geschichte! Und ich versuche gerade bei den jungen Leuten, die uns ja nun mal eben anvertraut sind, die Andacht wachzurufen, die ja schließlich Preußens Gloria gebührt! Und was machen Dr. Wagner und seine Oberprima? Negermusik! Zack zack zack bumm bumm!“

Dr. Krapp-Krapproth
Rudolf Schündler als preußischer Oberlehrer Dr. Krapp-Krapproth

Schön auch, dass der Direktor nach „Negermusik“ auch direkt kleinlaut „Schwarze! Schwarze Musik …“ einwirft. Man darf ja nichts mehr sagen in Deutschland! Mensch, schon 1969 „woke“, da würden heute direkt wieder die Kommentarspalten glühen. Absurd, dass darüber 2023 allen Ernstes immer noch diskutiert wird.

Wenn du denkst, du spankst, dann denkst du nur du spankst. Uschi Glas kriegt Klassenkeile. Jeder darf mal.

Ein weiterer Lehrer wird von Ulrich Beiger (1918-1996) gegeben, der mir vor allem aus „Das verrückteste Auto der Welt“ (1975) bekannt ist, aber in jenen Jahren viel im Kino zu sehen war, und später auch im Fernsehen (und ja, natürlich auch in zwei Folgen von „Derrick“).

Walter Giller (1927-2011) hatten wir auch schon mehrfach – er spielt hier den sympathischen Junglehrer überzeugend. Näheres zu ihm habe ich bereits beim Film Liebe auf krummen Beinen (1959) geschrieben.

Walter Giller, Ulrich Beiger

Hans Terofal (1923-1976) hat hier nur eine kleine Rolle, er ist der Kapellmeister einer bayrischen Blaskapelle, die während einer Klassenarbeit im Schulfoyer zünftige Blasmusik spielt. Er hat sichtlich Spaß dran, zumindest muss er nicht saufen und albern rumzappeln.

Hans Terofal hat Gaudi – „Wir sind bezahlt worden, dass wir hier blasen, daher blasen wir hier!“

Herbert Weissbach (1901-1995) ist direkt in der ersten Szene der Lehrer. Zu ihm habe ich auch hier und da schon öfter was geschrieben, schön, dass er hier mal mehr als einen Satz sagen darf. Auch er ist uns schon mehrfach über den Weg gelaufen, z. B. in Der Partyphotograph.

Manuelas Vater ist noch prominent besetzt – das Kölner Urgestein Willy Millowitsch (1909-1999) gibt sich die Ehre, sein Film direkt vor dem noch absurderen, hier schon behandelten Charley’s Onkel. Hier jagt er keine Nutten, sondern spielt eine typische Millowitsch-Figur, der joviale, gutgelaunt-kieksende Sympath.

„Ein Kuss! Empööörend!“ – „Ich sag’s ja, der Sex … kommt auch auf uns zu … UNAUFHALTSAM!“ (Vielleicht der beste Gag des Films.) (Inge Wolffberg, Rudolf Schündler)

Ach ja, noch ein paar Worte zu den Damen. Uschi Glas dürfte auch heute noch geläufig sein, die andere weibliche Hauptrolle Manuela Schulz wird von Anita Kupsch gespielt. Der Name sagte mir zugegebenermaßen nichts. Ihre Filmographie ist auch recht lang, das meiste ist wohl eher dem Vergessen anheim gefallen. Serienfreunde könnten sie noch aus „Praxis Bülowbogen“ kennen, wo sie von 1987 bis 1996 mitspielte. Der Rest der jüngeren Damen sind mehr Deko. Gegen Ende des Films taucht noch Wilma (* 1957) auf, damals so was wie das Pendant zu Heintje, die irgendwas von Glück und Sonnenschein trällert. Das Lied kam als Single nicht mal in die Top 100, und womit? Mit Recht. Immerhin gibt es einen schönen Meta-Gag: Der Direktor (Werner Finck) direkt nach dem Lied:

„Nachdem wir nun unserem lieben Heintje, äh, Wilma – Heintje war ja im letzten Film – gehört haben, wollen wir nun zur Tagesordnung weitergehen…“

Eine Erwähnung wert ist noch die ältliche Lehrerin Dr. Sieglinde Boll, gespielt von Inge Wolffberg (1924-2010), die mir vage bekannt vorkam – Heinz-Erhardt-Fans könnten sie noch als „Fräulein Grauvogel“ aus „Was ist denn bloß mit Willi los?“ (1970) kennen. Hier hat sie einige schöne Szenen mit Rudolf Schündler, kleine Lichtpunkte in diesem Machwerk.

Insgesamt ein lauwarmer „Feuerzangenbowle“-Aufguss, trotz vieler bekannter Spaßnasen erstaunlich humorbefreit, vorhersehbar und abgekupfert und trotz nur 88 Minuten Lauflänge zäh. Dennoch war es kommerziell ein „mehr als zufriedenstellender“ Erfolg. Vielleicht wollten die auch alle nur sehen, wie Uschi Glas der Hintern versohlt wird. Wer weiß. Darauf ein zackiges „Zack zack zack bumm bumm“.

Wer’s sehen will: Ist sowohl auf einer ganz alten UFA-Videokassette (bei Taurus) zu haben als auch als DVD in einer „Uschi-Glas-Box“ bei Universum Film erschienen.

Charley’s Onkel (D 1969)

Regie: Werner Jacobs

Buch: Kurt Nachmann

Produzent: Allianz Film Produktion GmbH, Berlin (Heinz Willeg),
Terra Filmkunst

Premiere: 18. April 1969

Ein Film wie ein Fiebertraum. Ein weiterer Baustein in meiner selbst gesteckten Challenge, alle Filme mit Beteiligung von Heinz Erhardt zu sichten, und das ist wohl das skurrilste Machwerk, in dem er je auftauchte. Er hat hier auch nur eine kleine Rolle, mehr ein Cameo. Aber was für ein Cast! Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es wirklich einen Film gibt, in dem Heinz Erhardt und Karl fucking Dall mitwirken? Mindblowing. Leider sind sie nie in einer Szene, das hätte wohl einen Riss in der Humor-Matrix gegeben.

Hier wird allerlei aufgefahren an großen Namen des damaligen Komödienschaffens. Regisseur Werner Jacobs ist ein alter Haudegen im Gerne und kurbelte allerlei lustig gemeintes und sollte ein paar Jahre später noch drei der vier „Willi“-Filme mit Erhardt drehen. Autor Kurt Nachmann ist uns hier auch schon des Öfteren über den Weg gelaufen, später dazu mehr.

Was den Film etwas besonders macht – hier treffen Opas Pantoffelkino und 68er Anarcho-Humor aufeinander. Der Clou an dem Film ist „Insterburg & Co“, die Band um Ingo Insterburg, zu der eben auch Karl Dall gehörte. Ein Running-Gag ist, dass Insterburg sich konstant über alles „Scheiß-Bürgerliche“ echauffiert.

Sonst kommt hier echt eine beeindruckende Kollektion von deutschen Spaßnasen zusammen, viele alte Bekannte des Genres. Von den alten Haudegen wie Hubert von Meyerinck und Willy Millowitsch bis hin zur damals aktuellen Generation wie Gila von Weitershausen (die nominelle Hauptrolle) und besagte Insterburg & Co.

Willy Millowitsch und Heinz Erhardt

Quasi der Avengers des deutschen Lustspiels. Gustav Knuth in einer Doppelrolle! Erna Sellmer, die sich auch noch als Mann verkleidet! Gunther Philipp! Edith Hancke! Ralf Wolter! Hans Terofal! Herbert Weißbach! Ja, sogar der von mir bekanntlich sehr geschätzte Rudolf Schündler! Viele nur in kurzen Gastauftritten, aber dennoch schon beeindruckend. Sogar der spätere Komödien- und Exploitation-Regisseur Rolf Olsen hat einen Auftritt (ja, der mit den Satansmädchen). Das damalige Sexsternchen Andrea Rau zieht mal blank und als Sahnehäubchen auf diese Torte des Kartoffel-Wahnsinns schaut noch mal ein junger Karel Gott vorbei, in „seinem ersten deutschen Spielfilm“, wie der Trailer stolz verkündet.

Gila von Weitershausen, Hans Terofal

Als wäre das alles nicht schon bizarr genug: Wir schreiben das Jahr 1969. Erfolgreiche Filme müssen Brüste haben. Und wir haben hier allerlei Nuditäten zu bewundern, es geht um käufliche Liebe. Willy Millowitsch lüstern wie Nachbars Lumpi eine (vermeintliche) Nutte jagen zu sehen hat schon etwas von einem Fiebertraum nach einer Überdosis seltsamer Filme und Eierlikör. Aber: Ja, dieser Film existiert.

Nebenbei: Wer auf nackte Tatsachen von Gila von Weitershausen hofft, dürfte eher enttäuscht werden, es gibt eine Umkleideszene von hinten, wenn man blinzelt, verpasst man es. In „Der Bettenstudent“, wo sie ja auch mitwirkte, kann ich mich zumindest an keine Nackedei-Szene erinnern. Sie in der Zeit in vielen seltsamen Filmen der frühen Sex-Welle mitgewirkt, mal sehen, was uns in „Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter“ oder „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh„, beite auch von 1969, so für Abenteuer erwarten, sofern ich die in die Finger kriege. Abenteuer deutsches Nachkriegskino.

Willy Millowitsch will Gila von Weitershausen an die Wäsche
„Mensch, sei doch nicht so scheiß-bürgerlich!“
Ingo Insterburg und Loni Heuser

Ein Nachteil des extrem großen Casts ist, dass die Handlung für so ne olle Klamotte echt kompliziert ist. Dauert denkt man – Moment, wer war das noch, warum macht er/sie dies oder das, was sind die Beziehungen? Man lese die grotesk lange Inhaltsangabe auf Wikipedia. Alle Nase lang werden Leute verwechselt und Pläne geschmiedet. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier um die Gastauftritte „drumrum“ geschrieben wurde, neben der üblichen Verwechslungs-Blaupause.

Die Grundprämisse ist schon recht abstrus – Carla Werner, genannt Charley, ist Fahrlehrerin. Jung und hübsch, wird ihr vom Fahrschüler (Hans Terofal, of all people) ans Knie gefasst. Sie hat es satt und kündigt, nachdem ihr Chef (Hubsi) kein Verständnis für ihre Pein hat. Ihre Freundin Lilo ist Prostituierte, diese reist für 3 Wochen in Urlaub. Sie übernimmt ihre Wohnung und schließlich auch ihren Job. Ihr erster Freier ist – Rudolf Schündler. Der prompt den Hintern versohlt bekommen will. Alter. You can’t make that shit up.

Gila von Weitershausen, Rudolf Schündler

„Hey, ich kündige meinen Job, weil ich von Hans Terofal ans Knie gefasst werde, und arbeite dann als Callgirl!“ Ich mein: Hä?

„Ich bin’s, der Karel! Ich singe jetzt mal komplett unmotiviert zwei Songs, um den Film auf 90 Minuten zu kriegen!“

Wie bereits erwähnt taucht auch Karel Gott auf, dessen zwei Songs man absitzen muss. Lustigerweise wird er, sobald er spricht, synchronisiert, wenn mich mein Ohr nicht täuscht von Gerd Duwner. Komplett sinnfreie Szene für einen Scheck von der Plattenfirma.

Nach geschlagenen 50 Minuten kommt dann der Auftritt von Heinz Erhardt als Vertreter für eine Art Raumerfrischer. Erhardt macht das beste aus dem Material, rettet den Film aber auch nicht in den paar Minuten.

Ein weiterer dieser deutschen Filme der Zeit, die man gesehen haben muss, um sie zu glauben. Immer wieder gibt es Szenen, bei denen ich mich fragte: Welche Drogen haben die sich damals reingepfiffen, um auf so was zu kommen? Auf jeden Fall durchaus interessant, wie Kurt Nachmann hier versucht, auch „die jungen Leute“, sprich: damalige Studierende, anzusprechen durch Sponti-Sprüche und Frivolitäten. Das ist schon ziemlich weit entfernt von spießigen Fleischbeschaufilmchen wie z. B. die Werke von Franz Antel – die ja kurioserweise oft auch von Nachmann geschrieben wurden, beispielsweise „Frau Wirtin bläst auch gern Trompete“. Fun fact: Nachmann hat 1969 alleine 10 (!), in Worten: zehn, Drehbücher geschrieben.

Auch wenn das schon a different kind of animal ist wie die Frau-Wirtin-Filme, merkt man durchaus, dass das Weltbild genauso altbacken und reaktionär ist wie sonst, denn die von Ingo Insterburg darstellte Figur als „Klischee-68er“ ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wenn er da in einer gemusterten 70er-Jahre-Unnerbüchs rumturnt ist das schon harte Fremdscham.

Nicht ganz so haarsträubend durchgeknallt wie „Der Bettelstudent“, aber schon ein ziemliches Brett. Hat aber mehr Brüste, Autostunts (!) und Heinz Erhardt auf der Habenseite. Immerhin.

Was man allerdings nicht erwarten darf: Einen „Heinz-Erhardt-Film“, auch wenn er groß auf dem Cover ist. Sowohl bei der alten Videoauswertung in den 80ern als auch auf der neuen DVD von Filmjuwelen, die das Originalmotiv übernommen haben. Das grenzt schon an irreführende Werbung.

Blau blüht der Enzian (D 1973)

Regie: Franz Antel
Buch: Kurt Nachmann
Produktion: Lisa Film
Premiere: 13. April 1973

Beim Wühlen in Prime stieß ich noch auf dieses Kleinod bundesdeutschen Filmschaffens, eine der unzähligen Schlagerkomödien, die in den Siebzigern entstanden. Mit Hansi Kraus, Ilja Richter und Hans Terofal gibt es auch gewisse Überschneidungen zu den damals extrem erfolgreichen „Die Lümmel von der ersten Bank“-Filmen, die es immerhin auf 7 (!) Teile brachte.

Der Österreicher Franz Antel zeichnet sich hierfür verantwortlich, den Kenner der Materie als Regisseur der „Frau Wirtin“-Filmreihe bekannt sein dürfte. Filmtitel wie „Frau Wirtin bläst auch gern Trompete“ (1969) sind einfach unsterblich. Er war auch sehr produktiv: Von den 50ern bis Ende der 70ern entstanden rund 100 Filme mit seiner Beteiligung, in der Regel Komödien, den Moden angepasst. In den 50ern eher Heimatfilm mit Bergen, in den 70ern wurden aus den Bergen wackelnde Brüste im Dirndl. Sein Bruder im Geiste war Drehbuchautor Kurt Nachmann, der auch hier mit am Start ist.

In diesem Filmwerk bleiben die Blusen aber zu, denn es handelt sich um ein Exemplar des damals sehr modernen „Schlagerfilms“. Man nehme eine Verwechslungskomödie vom Reißbrett, immer die gleichen Darsteller und dazu eine Handvoll angesagter Schlagersänger*innen. Hier hat man den ganzen Film, der eigentlich „Der wilde Kaiser tobt“ heißen sollte, gleich werbewirksam in „Blau blüht der Enzian“, den damaligen Hit von Heino, umgetauft. Geschäftstüchtig!

„Hey, Baby. Willst du wissen, was hinter der Brille ist? Dann komm mit mir auf mein Zimmer. Knick-knack.“

Hazy Morgan, Ölmagnat und „der größte Stinkstiefel des 20. Jahrhunderts“, wird vom trotteligen Nachwuchskellner Ilja Richter derart verärgert, dass er das Hotel verlassen will. Leider sind in Kitzbühel, der „piekfeinen Tiefkühltruhe“, alle Hotels ausgebucht. So landet der Assistent von Morgan auf Schloss Thanberg, das eigentlich nur eine Hotelschule ist, wo Ilja Richter, Hansi Kraus und Konsorten gerade ihren Abschluss gemacht haben, als schlechtester Jahrgang aller Zeiten, wie der Schulleiter nicht müde wird zu betonen. Der reiche Sack zieht dort notgedrungen ein und das Unheil nimmt seinen Lauf. Da wir in Kitzbühel sind, darf natürlich auch das große, ultimative Gag-Finale auf Skier nicht fehlen, mit lustigen Soundeffekten und allem. Ich lag unterm Tisch.

Damit das alles nicht zu lustig wird, wird alle 10-15 Minuten ein Liedchen geträllert. Rein zufällig ist Bata Illic unter den Schülern, der auch einfach mal prompt und komplett unmotiviert „Michaela“ durch die Hallen trällert, nachdem irgendein Knirps mit Kochmütze ein Schlagzeugsolo spielte. Das ist das faszinierende an den Filmen aus dieser Zeit – der Wahnsinn kennt keine Grenzen.

Der Phil Collins von Kitzbühel

Direkt die erste Szene nach dem Vorspann (Berge, Wild, Heino-Musik) ist bemerkenswert: Hans Terofal trinkt einen Schnaps namens Enzian, zuerst aus einem Glas, schließlich aus der Flasche. Gut, vielleicht hört er den Song von Heino, nachvollziehbar. Das Makabre daran ist, dass Terofal gerade mal 3 Jahre später an seiner Alkoholsucht zu Grunde gehen sollte. Es wird erzählt, dass er nicht damit klar kam, immer und immer wieder den Obertrottel zu spielen. Ein frühes Opfer des type castings.

Alkoholkrankheit – einfach zum Totlachen!

Eigentlich müsste man da „Dauerwerbesendung“ in der Ecke einblenden. Natürlich singt Heino den Titelsong auch noch mal leibhaftig im Film. Chris Andrews gibt „Sugar Daddy“ zum Besten und Jürgen Marcus darf „Ein Festival der Liebe“ bewerben. Der Kinderstar Nicki (Heintje auf wish bestellt), der Schlagzeuger von vorhin, singt mit Piepsstimmchen ein Liedchen namens „Yuppididuh“ und bürstet dabei eine Kuh (kein Scherz). Und eine Gruppe namens „Wir“ (nie von gehört) singt „David und Goliath“, mit dabei: ein zauseliger Drafi Deutscher mit Hippie-Bart. Harter Stoff.

Ilja Richter ist wie immer so lustig wie ein Loch im Kopf, Hansi Kraus hat ein paar gute Oneliner, die er gewohnt trocken und flapsig liefert, Terofal kaspert sich einen ab – also, eigentlich ist alles wie immer in den gefühlt 425 deutschen Komödien der Jahre 1968-1975.

Gut, Chronistenpflicht erfüllt – eine weitere Produktion der Lisa-Film ist gesichtet. Ich hab ja durchaus einen Sinn für diese Filme und generell für diese Zeit, aber das ist schon echt ne harte Nummer. Kurt Nachmanns Humor ist wohl echt Geschmackssache. Vielleicht findet man das in Österreich lustig. Wobei – das Ding hat damals schon Zuschauer gefunden.

Die von Georg Laforet geschriebenen „Lümmel“-Filme sind in dem Genre immer noch das Nonplusultra, insbesondere die Teile 1 und 5 („Wir haun die Pauker in die Pfanne„), wobei Teil 5 vor allem auch mit dem großartigen Theo Lingen in einer Doppelrolle auftrumpfen kann. Gegen den fußlahmen Kappes hier sind das humoristische Glanzleistungen.

Nur für Mutige, Kitzbühel-Nostalgiker, 70er-Gaga-Schlager-Fans und verrückte Komplettisten wie mich. Oder wer unbedingt mal Heino bei einer Schneeballschlacht bewundern will. Holladijo!

VHS: UFA („Sterne“-Cover)
DVD: MCP Sound & Media (so ein 5-Euro-Grabbelkisten-Ding)
Stream: Amazon Prime inklusive (Stand 06/22)