Mein Freund, der Lipizzaner (D 1994)

Regie: Franz Antel
Buch: Franz Antel, Eduard Ehrlich
Produktion: Karl Spiehs für Lisa-Film GmbH
Premiere: 15. April 1994, RTL

Wo wir gerade auf dem YouTube-Kanal von Lisa-Film sind – da gibt es auch noch diesen späten Ausläufer zu bekucken. Regie Franz Antel, Produktion Karl Spiehs und gesendet von RTL. Junge, Trashalarm auf 110 %.

Dieses Machwerk ist Teil einer Zusammenarbeit von Antel und Spiehs, in der einige Fernsehfilme entstanden. Antel war inzwischen 81, Spiehs 63. Für Antel war es offensichtlich schon gegen Ende seiner langen, langen Schaffensperiode.

Herausgekommen ist hier ein verlogen-verkitschtes Machwerk, das man gesehen haben muss, um es zu glauben. Dialoge wurden zusammenkopiert aus den schlechtesten Förster-Groschenheften, die je geschrieben wurden, dazu der billige Fernsehlook der 90er und Darsteller, die ihre banalen Sätzchen aufsagen wie sprechende Roboter. Quasi ein filmgewordener Fotoroman aus der Wendy. Uff.

Dreh- und Angelpunkt ist die Geschichte um Paul Scheibner (Alexander Wussow), einem jungen Typ, der Pferde ganz doll lieb hat und in der „Spanischen Reitschule“ eine Ausbildung macht. Dazu gibt es die obligatorische Liebesgeschichte mit der feschen Julia (Julia Biedermann), die den schönen Beruf Gestütssekretärin hat. Parallel gibt es noch ne Story über die Eltern von Paule, dem brummigen Urbayer Heinz Scheibner (Max Grießer), dessen Weingut in wirtschaftlicher Not ist. Dazu gibt es noch eine affektierte Boutique-Besitzerin und einen reichen, porschefahrenden Schnösel als Antagonisten aus dem Klischeehandbuch und einen Zirkus für die hübschen Bilder. Und ganz viele Pferde.

Ich habe ehrlich keine Ahnung, für welche Zielgruppe das gedreht wurde. 13jährige Mädchen, die Pferde toll finden? Die sind bestimmt nach 10 Minuten schon eingeschlafen oder haben auf RTL2 umgeschaltet. Mitgealterte Franz-Antel-Fans? Schalten die RTL ein? Und falls ja, denken die nicht: „Oh, das ist aber anders als früher. Ich geh heute mal zeitig ins Bett, ist ja schon halb neun“?

Wie auch immer – das Ding ist nahe an einer Selbstparodie. Wenn man es als solche begreift, ist es fast schon wieder lustig. Diese Dialoge sind unglaublich. Die zwei frisch getrennten Flitzpiepen Anton und Julia stehen im Wald und sagen solche Dinge, ohne lachen zu müssen:

Julia: „Ich bin keine Prinzessin, und das Leben (bedeutungsschwangere Pause) ist kein Märchen.“

Anton: „Das hab ich auch gemerkt. Vielleicht war ich zu egoistisch, vielleicht hab ich nur an mich selbst gedacht. ich glaube, es ist schon schwer, den Menschen fürs Leben zu finden.“

Julia: „Wahrscheinlich hast du recht. das ist das schwerste, was es gibt.“

Anton, nach kurzer Bedenkzeit: „Stimmt.“

Julia: „Deswegen will ich es erst gar nicht versuchen. Das bringt meistens nur Schmerzen.“

Anton, mit einem leisen Lachen: „Ja, das kenn ich.“

Julia. „Ich auch. Glaub mir. Man muss schnell abhauen, bevor es zu spät ist!“

Anton: „Ich fürchte, es ist schon zu spät.“

Ihre Köpfe nähern sich. Sie küssen sich zaghaft. Szenenwechsel mit Kreuzblende auf ein Bauernhäuschen.

Der nächste Morgen. Sie liegen postkoital in einem Holzbett, das mit Blumen bemalt ist. Sein Vater bereitet derweil das Frühstück, das vom Kaloriengehalt für eine 5-köpfige Familie reichen würde.

Minute 41

Herr im Himmel. Dagegen sind die Heimatfilmchen aus den 1950ern direkt Weltliteratur.

Gut, werfen wir noch einen kurzen Blick in den Cast. Diese Filmchen waren ja auch oft eine Art ABM-Maßnahme für verdiente Altstars. In der Rolle des Hengstliebhabers Paul haben wir Alexander Wussow (* 1964), ja, genau, der Sohn von „Professor Brinkmann“ Klausjürgen Wussow. Dessen Sippschaft ist irgendwie überall (seine Tochter spielte auch in der Schwarzwaldklinik mit). Er spielte sich durch einige der üblichen Heile-Welt-ZDF-Serien, seit einigen Jahren wurde es etwas ruhiger um ihn.

Der vielleicht größte Name im Cast ist Karin Dor (1938-2017), die zu den wichtigsten Schauspielerinnen der 1960er zählt. Ihre Karriere umspannte viele sehr populäre Franchises, von Karl May bis Edgar Wallace, ja sogar bis hin zu James Bond und auch bei Hitchcock spielte sie mal mit („Topas“). Dass man dann im Alter in so einem Schmonz mitspielen muss, ist schon bitter. Sie wird uns sicher hier noch öfters über den Weg laufen.

Hier spielt sie Zirkustante Louise und darf strahlend mit den Peitschen wedeln. Eine ziemlich kleine Rolle.

Ein relativ bekanntes Gesicht der 90er ist noch Max Grießer (1928-2000). Der bayrische Volksschauspieler war in der Zeit recht bekannt durch die Comedysendung „Wie bitte?!“ (1993-1997), die sehr erfolgreich auf RTL lief. Zuvor war er wohl vor allem durch seine Mitwirkung am „Komödienstadel“ dem einschlägigen Publikum bekannt, spielte aber auch schon in den 70ern in diversen Nackedei-Komödien mit, die wir sicher früher oder später hier beäugen werden. Leider fand der gute Mann ein trauriges Ende, er litt an Depressionen und nahm sich 2000 das Leben. Er ist hier tatsächlich ein kleiner Lichtblick zwischen den ganzen anderen Knallchargen, die hier „spielen“.

Julia Biedermann (* 1967) kennt man heute wohl noch primär wegen ihrer Teilnahme bei Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!, der Staffel von 2008 (mir wird eben erst bewusst, wie lange es diesen Quark schon gibt). Bekannt geworden ist sie als Tochter in dem ZDF-Serienklassiker Ich heirate eine Familie, später dann schon im Lisa-Film-Dunstkreis in der Roy-Black-Schmonzettenserie Ein Schloß am Wörthersee. (Nicht zu verwechseln mit Jeanette Biedermann (* 1980), der Sängerin und GZSZ-Tante. Auch nicht verwandt.)

Georg Marischka (1922-1999) sei noch der Vollständigkeit erwähnt, ein Mann mit sehr wechselhafter Karriere, er arbeitete als Drehbuchautor, Regieassistent und immer wieder auch als Darsteller in allerlei Film- und Fernsehschaffen. Sein Halbbruder Franz Marischka (1918-2009) war allerdings deutlich erfolgreicher und hat einiges an Filmen als Regisseur betreut. Er ist uns hier schon mal bei Die unglaublichen Abenteuer des Guru Jakob über den Weg gelaufen, er hat aber auch z. B. die berühmt-berüchtigte „Lass jucken, Kumpel“-Filme gedreht und viele ähnliche Machwerke, die wie geschaffen sind für dieses Gruselkabinett der deutschen Nachkriegskinokuriositäten.

Finde ich auf jeden Fall einen netten Zug von Lisa Film, dass die solche Archiv-Filmchen wie diesen hier kostenlos und in guter Qualität auf YouTube hochladen. Tatsächlich kam der Film auch 2016 von MCP auf DVD raus, so 5-Euro-Grabbeltischware.

Schick deine Frau nicht nach Italien (D 1960)

Regie: Hans Grimm
Buch: Ilse Lotz-Dupont
Produzent: Franz Seitz Filmproduktion, München
Premiere: 22. September 1960

Dieses obskure Filmwerk habe ich mal wieder dem YouTube-Algorithmus zu verdanken, der ihn mir ins Bewusstsein spülte. Neugierde erregte hier die Tatsache, dass wir hier ein frühes Werk aus dem Hause Franz Seitz Filmproduktion haben, das uns hier schon des Öfteren über den Weg gelaufen ist. Heute am bekanntesten dürften wohl die „Die Lümmel aus der ersten Bank“-Reihe und später dann Literaturverfilmungen wie „Die Blechtrommel“ sein, mit dem hier schon behandelten Knaller „Big Mac“ (1985) mit Thomas Gottschalk als kuriose Nachgeburt der deutschen Nachkriegskomödie.

Die Produzentenkarriere von Seitz begann 1951, dies ist hier also noch seiner ersten „Schaffensperiode“ zuzurechnen. Wie üblich in diesen Jahren wurde auf Masse produziert, dies ist einer von drei (!) Filmen, die 1960 entstanden. Interessant ist hier auch, dass Hans Terofal aka Hans Seitz hier noch einen Credit als „Produktionsleitung“ hat, seinem eigentlichen Job für viele Jahre (neben einigen kleinen Schauspielrollen), bevor er unter seinem Pseudonym als Schauspieler bekannt wurde und immer den letzten Volldepp spielen musste und mit nur 53 Jahren schließlich Opfer seines Alkoholismus wurde.

Die Geschichte ist recht schnell erzählt. Drei Paare werden vorgestellt, die Herren sind arrogante Flitzpiepen, riechen nach fremden Parfüms und kümmern sich nicht um den Haushalt und die Kinder. Die Muddis werden sauer und wollen ihnen eine Lektion erteilen, und fahren kurzentschlossen zu dritt nach Italien (wohin sonst). Unterwegs bleiben sie mit dem Auto liegen und werden von zwei charmant-zwielichtigen Italienern „gerettet“ (irgendwie klingen die für mich, wenn sie mit Akzent Deutsch reden, mehr nach Holländern als nach Italienern, liegt vielleicht aber auch an mir). Natürlich wollen die süßholzraspelnd auch den keuschen Muddis an den Baumwollschlüpfer, Vorurteile wollen ja gepflegt sein.

Die Milch kocht über, der Wasserhahn spritzt – man hat es schon nicht leicht als Mann mit ohne Frau

Zuhause bricht derweil das Chaos aus, weil Männer sind ja so unfähig, die Küche sieht aus wie Sau (eieiei). Damit dieser emanzipatorische Akt nicht Schule macht, kehren sie natürlich wieder reumütig zurück und alles ist wieder im Lot. Zwischendurch wird gesungen.

Gefilmt in Eastman-Color sehen wir natürlich auch nebenbei ein Kaleidoskop von postkartenartigen Motiven aus Italien, von Pferderennen mitten in der Stadt bis einer Rom-Sightseeing-Tour mit der Kutsche und lustigem Gesinge („Auf allen Straßen“). Interessant zu sehen, wie Rom damals aussah, ich war dieses Jahr erst dort. Durchaus ein Punkt auf der „Habenseite“ des Films.

Rom anno 1960

Auf allen Straßen such‘ ich die Eine

Sie muss die Schönste und Liebste sein

Wenn ich sie finde, wird sie die meine

Find‘ ich sie nicht, dann bleib‘ ich lieber noch allein

Ich ziehe meine Straße immer weiter

Durch die schöne Welt

Und bleibe dabei immer froh und heiter

Weil mir das Leben so gefällt

Was man so Singt, während man mit der Kutsche durch Rom fährt

Die Lieder sind angenehm kurz und überwiegend von der dieser etwas südländisch-„exotisch“ angehauchter Machart, die damals angesagt war.

Geschrieben hat dieses nette kleine Schlager- und Schmunzelfilmchen eine der wenigen Frauen, die damals in diesem harten Geschäft einen Fuß an Land bekommen haben, eine gewisse Ilse Lotz-Dupont (1893-1968). In der Vorkriegszeit vor allem als Schauspielerin bekannt, schrieb sie in den 50ern und 60ern rund 25 verfilmte Drehbücher. Von „Moselfahrt aus Liebeskummer“ (1953) über „Wenn die Alpenrosen blüh’n“ (1955) bis „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“ (1962) klingt das doch eher nach solider Hausmannskost, was der Markt halt wollte. Das Himmelbett war wohl etwas erotisch angehaucht und sorgte 1962 für Aufsehen. (Dazu gehörte 1962 nun auch nicht viel. Wenn ich den mal finde, schau ich mal rein und berichte.)

Der Regisseur Hans Grimm (1905-1998) war mir bislang unbekannt. Er hat eine recht kuriose Karriere. Als gelernter Elektriker arbeitete er lange als Tontechniker, bevor er in den 30ern und 40ern zum Cheftonmeister der Tobis emporstieg und dort an zahllosen Filmen beteiligt war. Nach 1945 war er dann als Regisseur tätig für ein gutes Dutzend, überwiegend seichter Filme wie diesen hier. Hier kam ihm wohl zu gute, dass er – nach grober Sichtung – wohl überwiegend an unproblematischen, „leichten“ Filmen beteiligt war und es bei Massenproduktion an erfahrenen und zugleich politisch unbelasteten Regisseuren fehlte, die nicht emigriert sind.

Die Schauspieler*innen sind fast alle Kinder ihrer Zeit und hatten ihren Zenit in den 50ern und 60ern, danach wenn überhaupt noch etwas Fernsehen.

Spontan bekannt war mir tatsächlich nur Harald Juhnke (1929-2005), der hier noch recht jung in seiner sehr produktiven Zeit zu sehen ist, so grob 1957-1963 drehte er einen Film nach dem nächsten, 33 (!) Filme innerhalb von 6 Jahren.

Claus Biederstaedt (1928-2020) war ebenfalls in dieser Zeit sehr produktiv. Tatsächlich dürfte der Name vor allem Synchron-Nerds etwas sagen, war er doch lange im Geschäft und ist in vielen bedeutenden Filmen und Serien zu hören, als Stimme von u. a. Marlon Brando,  Peter O’Toole und Peter Falk. Die meisten Filme seiner Filmographie dürften außerhalb des Freundeskreises der seichten Schlagerfilmchen überwiegend vergessen sein, relativ spät war er noch mal im Roy-Black-Vehikel „Schwarzwaldfahrt aus Liebeskummer“ (1974) zu sehen. Und – natürlich – später dann auch in einigen Folgen von „Derrick“, daher war mir das Gesicht auch vertraut. Generell war er in vielen ZDF-Produktionen der Zeit zu sehen, von „Der Kommissar“ bis „Die Schwarzwaldklinik“. Kleine biographisch-geschichtliche Anekdote: Wie so viele seiner Generation musste auch er in den Krieg, mit 15 Jahren an die Ostfront. Seine Mutter war in der festen Überzeugung, er wäre wie alle (!) seiner Mitschüler gefallen, worauf sie sich mit einer Zyankali-Kapsel das Leben nahm und in irgendeinem Massengrab verscharrt wurde. Unglaublich, was diese Generation durchlitten hat.

Die weibliche Hauptrolle bestreitet Marianne Hold (1933-1994), einer der großen Stars der damaligen Zeit, hier schon gegen Ende ihrer recht kurzen Karriere. Nach den Kriegswirren landete sie als junge Frau in Rom und lebte dort bis zu ihrem Tod. Ihre Filmkarriere war nach 1965 beendet.

Die aus Jugoslawien stammende Elma Karlowa (1932-1994) war ebenfalls ein sehr gesehener Gast in diesen Filmen. Im Gegensatz zu Marianne Hold konnte sie auch später noch im Kino und Fernsehen Rollen ergattern, wenn auch ihre Blüte lange vorbei war. Neben Abstechern in die 70er-Softerotik („Junge Mädchen mögen’s heiß, Hausfrauen noch heißer“, „Was Schulmädchen verschweigen“, beide 1973) war sie sogar in den 90ern noch in einigen Folgen von „Tatort“ zu sehen. Der bedeutenste Film in ihrer Filmographie ist sicherlich „Angst essen Seele auf“ (1974) von Rainer Werner Fassbinder, in dem sie eine kleine, aber schöne Rolle hat als „Frau Kargus“, die schwarzhaarige, etwas pummelige Frau, die Brigitte Mira im Treppenhaus trifft.

Erwähnenswert ist noch eine kleine Rolle von Liesl Karlstadt (1892-1960), es war auch ihre letzte Rolle überhaupt. Zusammen mit Karl Valentin (1882-1948) bildete sie eines der großen Komiker-Duos Deutschlands. Dazu zu gegebener Zeit mehr. Hier spielt sie Tete, die resolute Hausangestellte von Harald Juhnke. Dass die beiden zusammen mal einen Film gedreht haben, hätte ich jetzt auch nicht gedacht.

Harald Juhnke, Liesl Karlstadt

„Machen Sie eine typische Handbewegung bei Sichtung dieses Films.“

Typisches Fließband-Produkt seiner Zeit. Tut niemandem weh, unterhält auf niedrigem Niveau, handwerklich sauber. Musik meist im erträglichen Rahmen. Schnulzfaktor schon im roten Bereich, aber (im Rahmen des Genres) noch zu ertragen. Gibt sicherlich schlimmeres, das ist hier ist wohl aber nur für Chronisten und beinharte Juhnke-Fans von Interesse.

Der Film ist wohl weder auf VHS noch auf DVD erschienen, nur eine Ausstrahlung im „Heimatkanal“ bei Premiere anno 2005 ist dokumentiert. Es gibt ihn aber in überraschend guter Qualität auf YouTube.

Das fröhliche Dorf (D 1955)

auch: Krach um Jolanthe

Regie: Rudolf Schündler
Buch: Gustav Kampendonk
Produktion: Kurt Ulrich
Premiere: 16. September 1955

Oha, da bin ich aber wieder tief in den obskuren Filmarchiven der heilen Kinowelt der bundesdeutschen 50er Jahre unterwegs. Dieser etwas unscheinbare, halb verschollene Film hat allerdings einige Besonderheiten, die ihn filmhistorisch interessant machen. Da man auch online kaum Infos findet, opfere ich mich mal.

Zunächst – Regie: Rudolf Schündler. DER Rudolf Schündler? Ja, genau.

Heute noch am ehesten als Oberstudienrat Knörz aus den Lümmel-Filmen der 70er bekannt, hatte der Mann eine unfassbar bunte Karriere quer durch die deutsche Filmgeschichte, von Fritz Lang über Hans Billian bis Heinz Erhardt. In den 50ern führte er auch mehrfach Regie bei leichter Muse wie hier. Das war bereits seine fünfte Regiearbeit. Von insgesamt 19. Neunzehn! Die 50er Jahre waren sehr produktiv im deutschen Kino. Man darf nicht vergessen – Kino war damals viel alltäglicher, die wenigsten Leute hatten zuhause einen eigenen Fernseher. Es wurden daher viel mehr Kinofilme „auf Masse“ produziert als heute.

Ein weiterer Fakt, der diesen Film etwas besonders macht: Es ist der erste deutsche Cinemascope-Farbfilm, sagt der Filmdienst. 1953, also zwei Jahre vorher, war mit „The Robe“ (Das Gewand) in den USA der erste Film in Cinemascope überhaupt erschienen.

Bauer Lamken (Carl Hinrichs) hat die tollste Sau von allen

CinemaScope war ein wichtiger Schritt hin zum heute selbstverständlichen „Breitbildformat“. Durch spezielle Linsen in der Projektion war es möglich, Filme im Seitenverhältnis von etwa 1:2.35 auf normalen 35-mm-Film zu bannen.

Leider konnte man den Film wohl so nur im Kino damals bewundern. Er ist nie fürs Heimkino erschienen, nicht mal auf VHS. Mir liegt eine Fernsehausstrahlung von SAT1 vor, die leider auf 4:3 zusammengeschrumpft wurde.

Neben diesen technisch-historischen Sachen wurde ich auch neugierig, denn der Film basiert auf einem Theaterstück von August Hinrichs (1879-1956), dessen Geburtshaus keine 300 Meter von hier, wo ich gerade sitze, entfernt ist. Geboren in Oldenburg, ist er als Autor von Theaterstücken, meist humoristischer und eher volkstümlicher Art, bekannt, und die August-Hinrichs-Bühne in Oldenburg trägt heute seinen Namen.

In den zwanziger und dreißiger Jahren war er einer der meistgespielten Bühnenautoren. Seine Stücke waren in ganz Deutschland erfolgreich, und auch mehrere Verfilmungen entstanden bereits. So ist dieser Film von 1955 eigentlich ein Remake des Films von 1934 unter der Regie von Carl Froelich.

Die Geschichte geht auf das Stück „Krach um Jolanthe“ zurück, was auch ein Alternativtitel des Films (und der Titel der 1934-Version) ist. Auch als Theateraufführung wurde es mehrfach gefilmt, z. B. vom Hamburger Ohnsorg-Theater (1962 und 1979 noch mal).

Das Stück ist wohl so bekannt, dass es in Cloppenburg eine Skulptur (Foto von Wikipedia) dazu gibt. OK, wieder was gelernt.

Kuckuck auf der Wutz

Worum geht es überhaupt? Irgendwo im Oldenburgischen anno lange-her: Bauer Lamken (Carl Hinrichs) ist stolz wie Oskar, denn auf der Landwirtschaftsausstellung hat seine Sau Jolanthe den ersten Preis gewonnen. Das war damals sogar ein Foto auf der Titelseite der Zeitung wert.

Doch, oh weh, wieder zuhause in Pusemuckeldorf (das wohl fiktive Ringelstede) droht Unheil. Er hat seine Steuern nicht bezahlt, und der Gerichtsvollzieher pfändet einfach seine Prachtsau und pappt ihr einen Kuckuck auf den Schinken.

Schließlich soll sie versteigert werden, doch niemand bietet. Der Gendarm ermittelt, Verdacht auf Komplott und so. Auch der nette neue Dorflehrer, der gerade im Dorf angekommen ist, gerät in Verdacht, doch er hat damit nichts zu tun, er ist nur für die obligatorische love story im Film verantwortlich.

Die ersten Szenen im Film, diese Viehzeugparade, wurden offensichtlich in München gedreht, dort fand 1955 die 43. Wanderausstellung der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) statt:

München – establishing shot – könnte der Stachus (Karlsplatz) sein

Ebenfalls dokumentieren möchte ich dieses wunderbare Stück Lyrik, gesungen von der Magd Stine. Ein echter Ohrwurm.

„Jolanthe, Jolanthe,
du dickes Borstenvieh
hast meine Sympathie
Jolanthe, Jolanthe,
du hast mit deinem Speck
die Ruhe weg!“

Apropos Magd – diese hat auch eine Szene, die so bizarr ist, dass ist sie hier mal als Ausschnitt einfüge. Tatsächlich für 1955 schon recht gewagt!

Im Cast stach mir Carl Hinrichs (1907–1967) ist Auge. Auch er ist in Oldenburg geboren und hier auch 1967 gestorben. Er war in den 50er und 60er öfter mal in augenscheinlich kleineren Rollen in Kino und TV zu sehen. Laut alt-oldenburg.de war er der Bruder von August. Seine Eltern und später dann er führten in der Haarenstraße in der Oldenburger Innenstadt eine Weinhandlung. Das Gebäude (Foto) wurde 1956 abgerissen, dort ist heute das Modehaus ZARA zu finden.

Gerhard Riedmann (1925–2004), der den jungen forschen Lehrer spielt, war noch bis in die 90er regelmäßig zu sehen, zuletzt in 25 Folgen vom ZDF-„Bergdoktor“. In den 50er war er noch in allerlei Heimat-, Berg- und Schlagerfilmchen zu sehen und grinste und sang sich in die Herzen der Damen. Der grobe Blick zeigt auch, dass eigentlich fast alle der Beteiligten nach dem großen Knick in den 60ern, als Heimatfilme langsam ausstarben, ihre Karriere mitsterben sahen.

Was bleibt? Biedere Heile-Welt-Unterhaltung, und selbst da gibt es sicherlich besseres. Filmisch solide abgekurbelt, bleibt er halt doch ein Theaterstück von 1930, und so frisch wirkt das dann auch. Das war selbst 1955 schon old-school.

Das Lokalkolorit ist ganz nett, wenn man hier wohnt, und zumindest weiß ich jetzt, was diese Skulptur in Cloppenburg soll. Man lernt nie aus! Ist auch einfach mal schön, dass so ein Film mal nicht in Österreich, Tirol, Schwarzwald oder Bayern spielt, sondern in der norddeutschen Tiefebene. Ansonsten nur für Fans von Bauernkomödien (gibt es die überhaupt noch?). Oder wer Filme mit ganz vielen Schweinen mag. Oink!

Der qualitativ ganz brauchbare TV-VHS-Mitschnitt (SAT1, ich würde frühe 00er Jahre schätzen) findet sich im Netz.

Carl Hinrichs, Gerhard Riedmann