Auf der Alm da gibt’s koa Sünd (D 1974)

Regie: Franz Josef Gottlieb
Buch: Hubert Frank
Produktion: Günther Eulau / Lisa Film
Premiere: 11. Oktober 1974

Unter weiter geht es – furchtlos und unaufhaltsam – durch das filmische Werk von Regie-Hansdampf-in-allen-Gassen F. J. Gottlieb. Und herrje, nicht schon wieder Lisa Film, und dann auch noch was – im weitesten Sinne – „Erotisches“. Ich gebrauche diesen Terminus hier nur widerwillig – im Kern ist es die übliche Blödel-Komödie im österreichisch-bayrischen Milieu, nur mit noch mehr Sexismus und Rassismus zum Fremdschämen und ein paar Nackerden. Hier sind noch Versatzstücke des Agentenfilms nachzuweisen.

Der Titel ist natürlich Gold und bis heute ein geflügeltes Wort, was besseres kann einem Film kaum passieren. Streng genommen ist es sogar ein Remake, denn bereits 1950 hat Franz Antel einen Film unter dem gleichen Namen gedreht, der inhaltlich wohl nichts gemein hat.

1974 war in gewisser Weise eine Zeit des Umbruchs, die „Sexwelle“ im bundesdeutschen Kino war eher am Abklingen, eine Sättigung trat ein. Gleichzeitig war absehbar, dass früher oder später auch „richtige“ Pornographie immer gesellschaftsfähiger wurde. Zur Erinnerung: 1974 war Pornographie in Deutschland immer noch per se illegal und wurde wie Drogen geschmuggelt, gerade über die dänische Grenze. 1975 sollte dann die Freigabe kommen. Tatsächlich sind viele der frühen deutschen „Juckelfilme“ inhaltlich und stilistisch gar nicht so weit von Produkten wie diesem hier entfernt, nur halt mit Genitalien.

Spion Heiner (Alexander Miller) bei der Arbeit

Wir beginnen mit einer Autoverfolgungsjagd mit einem Citroen DS und einem Porsche – ein Professor Solo (Walter Feuchtenberg), Erfinder einer Formel, mit der man aus Müll Benzin machen kann, wird von einem Agenten-Pärchen schließlich beim Halt an einer Tankstelle durch einen Schuss in den Allerwertsten vermeintlich getötet, er übergibt den Mikrofilm mit der Formel an den etwas tumben Tankstellenbetreiber Josef Sandler (Alexander Grill). Der vermeintlich tote Professor war aber nur betäubt und ist nun in den Fängen des Agenten-Paars. Deren weibliche Hälfte Sally geht gleich mal naggisch baden im See, damit wir auch endlich Möpse sehen, der Film läuft ja schon 6 Minuten.

„Probieren wir die Liiiebe?“ – „Das geht jetzt net, ich muss melken!“ – „Dann melken wir die Liiiebe, haaa!“

Josef Sandler sieht sich derweil schon als Millionär mit der Wunderformel. Zwischendurch befummelt ein gewisser Tino (Rinaldo Talamonti), der „notgeile Italiener“, der in keinem dieser Filme fehlen durfte, noch eine junge Frau (Elisabeth Felchner), die am Waldesrand Beeren pflückt.

Die aufgrund des augenscheinlichen Mords gerufene Polizei erscheint in Gestalt von Gendarm Xaver (Hans Terofal). Tino denkt, die schießwütigen Agenten sind hinter ihm her und haut ihm erst mal eine riesige Zange auf den bemützten Kopf. „Do legst di nieder!“ Zur Wiederbelebung übergießt er ihn mit Wasser. Auf den Schreck kriegt er erst mal einen Obstler. Hey, endlich wieder mal was für die Galerie „Hans Terofal beim Saufen“. Herrgott.

Nach ein bisschen Blabla zieht er weiter mit seinem Fahrrad, und erwischt den Tino und die holde Maid beim „Melken“. Auf der Alm gibt es also doch „e Sünd“, der Filmtitel lügt, wer hätte es geahnt.

Bayrisches Multitasking

Vom Gendarm aufgeschreckt läuft die Maid von dannen, und folgender Dialog entspinnt sich. Dieser Film ist – wie zu erwarten – eine Goldgrube für alle Arten von Ismen.

Gendarm: „Können Sie das nicht daheim machen?“

Tino: „Nein, denn ich komme aus bella Silicia – das ist zu weit.“

Gendarm: „Oh weh, e Itaker! Ein Gastarbeiter!“

Tino: „Nicht schimpfen, ohne uns könnt ihr eh nicht auskommen!“

Gendarm: „Ha-haa – das hier können wir bestimmt auch!“

Tino: „Aber nicht so gut wie wir!“

Gendarm: „Nicht frech werden, du Zwergl, sonst sperr ich dich ein!“

(…)

Tino: „Ich? Ich bin ein armer Italiener.“

Gendarm: „Jaja, ich weiß schon, Mafia und so!“

Deutsche Populärkultur 1974. Natürlich nur lustig gemeint, hahaha. Diese Gastarbeiter, hahaha. Lassen anständige blonde (!) deutsche Mädchen nicht mal in Ruhe eine Kuh melken. Ein echter Schenkelklopfer.

Aufgelöst wird dieser Disput natürlich dadurch, dass ein riesiger Mann namens Emil (Erhard Weller) zu Tinos Überstützung aus dem Nichts in Bild kommt und der Gendarm verängstigt von dannen rauscht. Wie sonst. Emil, offenbar ein Kumpel von Tino, erkundigt sich, wie denn das Mädel so war, aber mangels Abschluss kann Tino noch keine Auskunft geben, er müsse morgen weitermachen. Emil bietet an, den Job zu übernehmen, Tino lehnt dankend ab. Kein Kommentar.

Wir sind erst bei Minute 13 und ich liege mit dem Kopf auf der Tastatur.

Einmal tief Luft geholt und weiter. Wir befinden uns in einem Gasthaus, ein Gast lässt zu fröhlicher Blasmusik gegenüber der Bedienung folgende Dialogperle aus dem Kopf fallen:

„Mach mir doch schnell e Hupferl! (…) Aber wenn’s mir doch grad so juckt, ganz heiß und steif isser, ha!“

Worauf die Bedienung ihm hysterisch lachend zur Abkühlung das soeben servierte Maß Bier in die brünstige Lederhos’n kippt. „Jetzt ist die ganze Pracht beim Deifel!“ Sexuelle Belästigung als Kavaliersdelikt, eine zünftige Gaudi.

Nach diesem heiteren Intermezzo geht es mit dem Plot weiter – unser Tankstellentyp mit der Zauberformel trifft ein und erzählt dem dicken Wirt (Gerd Eichen), dass sie reich werden können. Seine Kinder hätten so ein Vergrößerungsgerät, mit dem man den Mikrofilm lesen kann. Sie werden dabei belauscht vom Agenten, der nun weiß, wo der Mikrofilm ist: Im Gürtel der Lederhose.

Tino hat nun als lustigen Sidekick den Riesen Emil. Ein beklaut einen Passanten, indem er ein 5-DM-Stück auf den Weg wirft, der Klischee-Bayern (nur echt mit Pfeife und Hut) bückt sich, zack, weg ist die Geldbörse. Merke, liebes Publikum: Diese Gastarbeiter vernaschen nicht nur unsere Frauen, sondern klauen auch wie die Raben. Der „Gag“: Die Börse ist leer. Also 5 DM Miese gemacht.

So macht man übrigens Benzin aus Müll. Falls mal jemand fragt.

Unsere beiden Dorfdeppen stehen währenddessen vor der Formel wie die sprichwörtliche Kuh vorm Protonenbeschleuniger.

Jetzt ist dem Drehbuchautor wohl eingefallen, dass das ja ein Sexfilm werden soll, es folgt eine komplett unmotivierte Sexszene der beiden Spione zu hirnerweichenden „lustigen“ Musik mit Gesang. Eine Frau spannt durchs Loch, hinzu kommt der notgeile Gast von eben und runter geht der Schlüpfer. Wie schön, dass er noch Verwendung für seine „Pracht“ gefunden hat. Dieser Film, ey.

Derweil wird weiter über der Formel gerätselt, u. a. wird der Dorfarzt hinzugezogen (Ulrich Beiger). Mehr als „Gibt mir noch e Bier!“ kommt dabei aber nicht heraus.

Zwischendurch gibt es noch die obligatorische „Fensterl“-Szene. Statt des erwarteten Beischlafpartners erscheint allerdings der Agent zum Koitus-Appell, was die Dame nicht stört. Allerdings taucht auch der erwartete Gast auf, und eine Schlägerei beginnt. Zufällig stößt das inzwischen gut angeheiterte Trio, genug vom Formeln haben, dazu, der Tankstellentyp Josef nutzt die Gelegenheit, mal zu sehen, ob er auch „was abstauben kann“. Doch, huch, es ist seine Nichte, und dann kommt auch noch seine Frau Gemahlin die Tür rein, er flieht aus dem Fenster und fällt in den Porsche der Agenten. (Wohin auch sonst?)

Am nächsten Morgen wird er dann dem Professor gegenübergestellt. Er ist immer noch strulle, der erste Satz am Morgen ist: „Huhuuuu … bumsen wir zwei einmal einen … hihihihi„. Er ist überrascht, dem totgeglaubten Professor gegenüberzustehen, er wird befragt, wo der Mikrofilm ist. Der sich ja in seiner Lederhose befindet, die er dann ausziehen soll. Was er auch prompt macht. Er kriegt einen dicken Ast auf die Omme, als er Frau Agentin an die Bluse will.

Tino verabschiedet sich von seiner Nachtbegleitung, und bekommt noch einen Laib Brot hinterhergeworfen als Wegzehrung, wie man das halt so macht nach dem One-Night-Stand.

Josef und der Professor sind am Baum gefesselt, doch sie können sich befreien. Als Dank für die Befreiung soll der Prof bei der Erzeugung des Benzins helfen. Josef, immer noch nackt, flieht, unser Gendarm Xaver erwischt ihn und will ihn verhaften. Und wieder gelingt ihm die Flucht (die natürlich das Klamottenpotenzial von einem Mann ohne Klamotten auskostet. Den Gendarm kriegt zum Beispiel ein Nudelholz auf den Kopf und fällt mit dem Arsch auf einen Kaktus. Brüller.)

Im Prinzip geht es immer so weiter – Gags aus der Comedy-Hölle, sexistische Kacke mit bayrischem Dialekt, Blasmusik, ab und zu werden Brüste in die Kamera gehalten. Mal ein „lustiges“ Episödchen, mal ein „erotisches“ Episödchen. Natürlich ist die Suche der Agenten nach dem Mikrofilm der dünne rote Faden.

Noch ein weltanschauliches Kleinod. Die Nichte von Josef wird beim engagierten Geschlechtsverkehr auf der Wiese erwischt und von Josef und seiner Frau anschließend zur Rede gestellt. Man lese und würge:

Frau: „Diese Schand! Diese Schand! Wie kannst du uns nur so was antun!“

Josef: „Hast du denn überhaupt kein Schamgefühl!“

Nichte: „Ich habe mal gelesen, wenn man vergewaltigt wird, soll man sich nicht wehren. Das ist gefährlich!“

Josef: „WAS?! … Mhmh, jaaa, da hab ich mal was gelesen, hehe.“

Frau schaut skeptisch.

Josef: „Is ja auch kein Wunder, so wie du immer herumrennst! Das ist geradezu eine Provo… vo… oder wie das heißt.“

Sprach’s und ging ins Wirtshaus, um „seinen Kummer herunterspülen.“ Ein Film, nach dessen Sichtung man eine Aspirin und eine Dusche braucht.

Der Professor macht nun gemeinsame Sache mit dem Vierergespann um Josef, baut wie ein übereifriger Chemie-Lehrer allerlei lustig blubbernde bunte Gläser in die Küche. Die Agentin verkleidet sich als Marktfrau mit frischen Eiern und schleicht sich in besagter Labor-Küche. Der Mikrofilm verbrennt durch Josefs Trotteligkeit, nur die fertige Flüssigkeit, anhand der mal die Formel rekonstruieren kann, bleibt und wird prompt von der Spionin gemopst. Die beiden fahren mit der Flasche von dannen, nur ist der Inhalt explosiv und der Porsche explodiert im Off. Beide sitzen nackt in den Überresten. Benzin hin oder her, sie gehen erst mal knattern, wo sie schon nackt sind. Ende.

Diese Sexszene bleibt uns (leider oder Gott sei Dank?) erspart

Auf der Habenseite – Regisseur F. J. Gottlieb macht handwerklich einen sauberen Job, effizient, aber effektiv (auf dem gegebenen niedrigen Niveau ohne große Experimente), dafür ist er einfach ein alter Hase im Geschäft mit viel Erfahrung. Das Drehbuch von Hubert Frank (* 1925) ist nur eines von vielen in der Zeit, er war wohl eine Art Spezialist für diese sehr (sagen wir es nett) bodenständige Art von Lustspiel. Er trat teilweise auch als Regisseur in Erscheinung, zum Beispiel beim Film mit dem hübschen Titel „Muschimaus mag’s grad heraus„, ebenfalls 1974 erschienen. Nach 1980 kam dann aber nicht mehr viel.

Alena Penz (* 1949), die die Spionin Sandy spielt und dabei mit ihren Reizen nicht geizt, stammt ursprünglich aus der damaligen Tschechoslowakei und wirkte ab 1969 in allerlei dieser Schabernack-und-nackte-Haut-Filmen mit. Hier ist sie uns schon in Franz Antels „Wenn Mädchen zum Manöver blasen“ begegnet. Der vielleicht beste Film ist wohl der damalige Skandalfilm „Salon Kitty“ (1975) von Tinto Brass, sie hat also auch hier und da mal in Italien gedreht. Nach 1980 war ihre Karriere vorbei, laut Wikipedia lebt sie seit 1990 wieder in der Tschechoslowakei. Ihr Filmspion-Kollege Alexander Miller hat außer hier kaum noch Filme gedreht. Hintergründe sind mir nicht bekannt.

Der Österreicher Alexander Grill (1938–2009) ist uns auch bei den manöverblasenden Mädchen schon begegnet. Auch er ein Dauergast in solchen Filmen. Ebenso Rinaldo Talamonti (* 1947), der hier viel erleiden muss. Ob ihm das heute peinlich ist, in welchem offen fremdenfeindlichen, Klischees befeuerten Dreck er damals mitwirkte?

Erhard Weller (1926–1986) ist noch ein paar Worte wert, er war mit 2,36 m einer der größten Menschen der Welt. Kurioserweise gibt es in der englischen Wikipedia einen (kurzen) Artikel, in der deutschen gar keinen. International war wohl unter dem Spitznamen „Big Bimbo“ (?!) bekannt. Ein hat in einer Handvoll Filme mitgewirkt, dieser wohl der bekannteste, und war auch mal bei Rudi Carrell in „Am laufenden Band“ zu Gast.

Hans Terofal (1923-1976) ist selbst mit einem zusammengestoppelten Grottendrehbuch wie diesem hier immer ein bisschen lustig auf seine quirlig-zappelige Art. Er hat hier relativ viel Screentime und ein paar der besseren Gags, er beherrscht „physical comedy“ einfach im Vergleich zu den anderen Zappelphilippen. Er war hier schon fast am Ende seines zu kurzen Lebens, 1975 folgen noch zwei Filme, danach starb er.

Ach ja, weil es eine Lisa-Film-Produktion ist, gibt sich unser Otto Retzer auch die Ehre in einer Mini-Rolle, hier ist er kaum erkennbar und zudem von Norbert Gastell nachsynchronisiert recht am Anfang als Pferdekutscher zu sehen. Hier ist er eigentlich wie so oft als „Aufnahmeleitung“ tätig.

Ich bin ja durch dieses Projekt hier echt abgehärtet, was Schwachsinn angeht, aber das Teil ist schon eine ganz besondere Qualität. Schmerzhaft unlustig (auf Bierzeltniveau wäre noch geschmeichelt), weltanschaulich ganz finstere bayrisch-österreichische Holzköpfe, Gags aus der allerletzten Kintopp-Mottenkiste, furchtbare Musik und trotz nur 78 Minuten – trotz einer flotten Inszenierung – zäh und in gesamter Länge schwer am Stück zu ertragen, was für ganz Hartgesottene. Vielleicht das furchtbarste, was Lisa Film je verbrochen hat? Noch habe ich nicht alles gesehen, aber die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch.

Der Film ist recht problemlos auf DVD zu bekommen, einzeln oder in einer „Dirndl-Box“. Obacht: Es gibt auch eine gekürzte FSK16-Version. Ja, der Quatsch hier ist immer noch FSK18. Fragt mich nicht, warum. Was genau da geschnitten ist, keine Ahnung. Das 1986 erschiene VHS-Band der UFA wurde damals sogar indiziert. Es gibt unter dem Titel „Bottoms Up“ sogar eine amerikanische Version, synchronisiert und laut schnittberichte.com um einige Sekunden Sex erleichtert, nicht dass die armen Amis noch verdorben werden.