Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen (D 1971)

Regie: Adrian Hoven
Buch: Fred Denger, Brigitte Parnitzke
Produktion: Hermes-Synchron und atlas Film und TV-Produktion GmbH
Premiere: 8. April 1971

Kennt ihr noch Raimund Harmstorf? Klar, Fans von Bud Spencer nicken, schließlich ist der kernige Mann bestens bekannt aus Filmen wie „Sie nannten ihn Mücke“ oder „Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen„. Aber wusstet ihr auch, dass der gute Mann zu Beginn seiner Karriere in Filmen wie diesem mitgewirkt hat, noch dazu in der Hauptrolle? In dem von Merkwürdigkeiten nicht armen deutschen Nachkriegskino ist noch immer noch etwas zu finden, was einem selbst als erfahrenen Obskure-Filme-Ausgraber verwundert die Augen reiben lässt. Noch dazu sind hier mit Thomas Danneberg und Arnold Marquis auch noch die Stimmen von Terence Hill und Bud Spencer zu hören. Ein Film aus einem Paralleluniversum.

Regisseur Adrian Hoven ist auch eine ziemlich interessante Erscheinung. In den 50ern und 60ern wirkte er als Schauspieler in zahlreichen Unterhaltungsfilmchen mit, später wurde er dann auch Produzent und teils auch Autor oder wie hier auch Regisseur. Der bis heute vielleicht bekannteste Film mit seiner Beteiligung ist wohl der Horror-Exploitation-Schlonz „Hexen bis aufs Blut gequält„, der kurz vor diesem Machwerk hier in die Kinos kam (Premiere: 19. Februar 1970) und damals als Skandalfilm galt. (Lange obskur gibt es diesen auf Blu-ray von Turbine Medien.)

Raimund Harmstorf als Siegfried

Hier haben wir also einen lustig gemeinten Erotikfilm zum Thema Nibelungen-Sage. Harmstorf spielt hier in seinem ersten Kinofilm den titelgebenden Siegfried mit großartiger Haarhelmfrisur, einen etwas tumben, muskulösen Strahlehelden, der gerne mal im Heu die Salami versteckt, nachdem er gerade einen Drachen abgemurkst hat. Auch viele andere Personen aus der klassischen Legende tauchen hier auf.

Flotter Vierer, und das ohne die Hosen auszuziehen, muss man auch erst mal hinbekommen

Wir sehen hier also – wie zu erwarten – eine krude Mischung aus langweiligen, zeitbedingt natürlich sehr zahmen Beischlafszenen und albernen, schlecht gefilmten „Mittelalter“-Szenen, die immer etwas an Karneval erinnern. Beides garniert mit der zeittypischen, leicht „funky“ angehauchten Schakalaka-Musik.

Wir erleben viele der klassischen Topoi, von einbrüstigen Amazonen bis zur amorösen Verwendung der „Tarnkappe“, eine Art Unsichtbar-mach-Bademütze. Mit ihr gelingt es mit einer List, die scharfe Brunhild (Heidy Bohlen) zu vernaschen, die von den Liebesdiensten ihres Bald-Gatten und Königs Gunter (Carlheinz Heitmann) wenig angetan ist. (Was heißt, dass wir hier Heidy Bohlen bei einem Beischlaf mit einem Unsichtbaren bewundern dürfen. Durchaus Oscar-würdig.) Natürlich denkt sie, dass Gunter der Granatenstecher war, und natürlich fliegt der Schwindel am Ende auf. Zwischendurch wird noch etwas gekämpft und gefoltert, hier fühlte ich Hoven wohl dem Erfolg der gequälten Hexen verpflichtet. Ist hier aber vergleichsweise harmlos und mehr angedeutet.

Der Cast besteht von Harmstorf abgesehen doch eher aus Eintagsfliegen. Einige der Damen sind „übliche Verdächtige“ des frühen Softsex-Report-Tittenfilms, wie etwa Sybil Danning (* 1947). Die Österreicherin, gelernte Zahnarzthelferin, hatte er ziemlich lange Karriere im internationalen B-Movie, ab 1972 drehte sie viel in Italien und in dann in den 80ern sogar in den USA. Ihr letzter Kinofilm-Eintrag ist tatsächlich das Halloween-Remake von 2007, dort spielt sie eine Krankenschwester. Kurios!

Vergesst das MCU – hier ist wahre Kinomagie am Werk

Brunhild Heidy Bohlen (* 1945) ist uns schon mal in Charley’s Onkel (1969) über den Weg gelaufen. Ihre Schauspielkarriere war allerdings recht kurzlebig und 1974 schon vorbei. Erwähnenswert ist noch „Rosy Rosy„, wie sie damals bekannt war, bürgerlich Rosemarie Heinikel (1946-2023). Sie war eine durchaus wichtige Figur der sog. 68er-Bewegung, Damals als das „Münchner Busenwunder“ bekannt, war sie fester Bestandteil des wilden Kommunen-Lebens in Schwabing der Zeit. Sie spielt hier die „Maid im Heu“, im ersten und vielleicht auch spannendsten erotischen Stelldichein des Films. Fun fact: Nach ihrer Autobiographie hatte sie mal ein Abenteuer mit Frank Zappa. Mensch, das ist ein wilder Ritt hier, von Bud Spencer zu Halloween zu Frank Zappa. Für so Kram liebe ich solche Filme.

Harmstorf und „Rosy Rosy“ beim Bodenturnen im Heu

Bisschen bekannter ist ansonsten nur noch Peter Berling (1934-2017), der in vielen bekannten und guten Filmen mitgewirkt und sich auch als Autor von Mittelalter-Romanen einen Namen gemacht hat. Hier ist er ganz am Anfang seiner Karriere als „Hansel“ zu sehen. Noch so ein Fall von „Er war jung und brauchte das Geld“ vermutlich. Er spielt hier den „lustigen Dicken“, immerhin von Gerd Duwner synchronisiert. Grundsätzlich wurde wohl der komplette Film nachvertont, so gut wie niemand spricht mit eigener Zunge. Viele große Namen darunter, wie schon erwähnt Thomas Danneberg, Arnold Marquis, Randolf Kronberg, Edgar Ott – das ist schon die Creme der damaligen Zeit. Rettet den Film leider auch nicht.

Vielleicht ist das die Geschichte dahinter? Denn als Produktionsfirmen treten neben der sonst eher für durchaus anspruchsvolle Filme bekannte Atlas Filmproduktion noch das Hermes-Synchronstudio auf, was mich direkt im Vorspann stutzig machte. Hypothese: Das war von Atlas durchaus als „ernsthafte“ Nibelungen-Parodie gemeint, was in die Hose ging (pardon the pun) , und Hermes versuchte es mit einer lustigen Synchro etwas zu retten? Ist schon eher ungewöhnlich, dass ein Synchronstudio einen Film mitproduziert.

Ansonsten versagt der Film ziemlich – er ist weder lustig noch sonderlich erotisch. Ist halt schlechtes Mittelalter-Cosplay mit hier und da ein paar nackten Brüsten. Wer allerdings schon immer mal Raimund Harmstorfs Kimme sehen wollte, wird hier fündig. Oder Forschende, die sich mit der Nibelungensage auseinandersetzen und die wohl absurdeste Bearbeitung dieses Stoffes analysieren wollen.

Leider (?) ist der Film für Neugierige nicht so leicht zu bekommen. Es gibt einige uralte und obskure VHS-Veröffentlichungen und gar eine DVD, so lieblos hingerotzter Kram in 4:3, die aber auch ewig out of print ist. Er lief wohl in den 90ern tatsächlich mal im Nachtprogramm von RTL, mir liegt eine VHS-Aufzeichnung vor.

Die Post geht ab (D 1962)

Regie, Buch: Helmuth M. Backhaus
Produktion: Piran-Film + Televisions GmbH (Egon Haebe)
Premiere: 21. September 1962

Noch ein Film für den Heinz-Erhardt-Komplettisten. In diesem seichten Schlagerkomödchen spielt er allerdings nur eine Nebenrolle.

Ansonsten ist das ein typisches Produkt der Wirtschaftswunderzeit. Die Herren tragen Anzug, haben schicke Autos, und Italien ist der Sehnsuchtsort. Da muss man als anständiger Deutscher einfach hin im Urlaub.

Willy (Adrian Hoven) ist Trompeter in einer Bar-Band. Wir lernen ihn auf dem Weg zum Amtsgericht kennen, wo er eine Erbschaft antreten soll. Doch statt des erhofften Geldsegens erbt er von seinem verstorbenen Onkel einen schrottreifen Reisebus.

Willy aufm Amt
Die Erbschaft

Mit dem fahren sie, die Band und diverse Damen, dann nach Triest (warum eigentlich, ach, auch egal, irgendwas mit einem Schlagerwettbewerb), die Väter der Damen (einer davon ist Heinz Erhardt) fahren hinterher, um sie zu „beaugapfeln“. Ralf Wolter macht den Kasper, es wird gegrinst und gesungen, am Schluss finden sich alle vorhergesehenen Paare und die Welt besteht aus Zuckerwatte. Hach ja!

Eine sehr seichte Komödie aus der damaligen Massenproduktion, die ohne Erhardt wahrscheinlich schon lange vergessen wäre. Seine screen time ist hier allerdings auch sehr begrenzt, und er hat wenig Raum zum Improvisieren, sprich er sagt mehr oder weniger das auf, was im Drehbuch steht, was meist nur so mittel bis gar nicht witzig ist.

Für Autor und Regisseur Helmuth M. Backhaus (1920-1989) war es der erste Kinofilm als Regisseur, vorher hatte er schon einige Drehbücher (mit)verfasst, war aber primär Autor in Theater und Rundfunk.

Das Drehbuch basiert laut Vorspann auf „einer Idee von Hans Billian“. Das ist allerdings lustig. Hans Billian (1918-2007) wirkte in den 60ern in einigen solcher Schlagerfilmchen mit, bis er um 1968 langsam anfing, sich im Erotikbereich zu etablieren, mit Mopsfilm-Knallern wie „Die Jungfrauen von Bumshausen“ oder „Pudelnackt in Oberbayern„. Ab 1975 sollte er – nach der Legalisierung der Pornographie – als einer der ersten und professionellsten Pornofilmer Deutschlands in die Filmgeschichte eingehen. Mit „Josefine Mutzenbacher – Wie sie wirklich war“ (1975/76) ist er auch für den ersten deutschen Porno-Kinofilm überhaupt verantwortlich. Sprich: Ein größerer Kontrast zu diesem harmlosen Singsang-Lustspiel ist kaum denkbar.

Als weibliche Hauptrolle haben wir Vivi Bach (1939-2013) zu vermelden. Hier versuchte man noch, sie als Schlagersängerin zu etablieren. Philips hatte sie seit 1960 unter Vertrag und ballerte eine Single nach der anderen raus, die alle nicht mal die Hitparade kamen. Später sollte sie dann Dietmar Schönherr heiraten und zusammen eins der berühmtesten Paare der 70er werden, auch als Moderatorengespann in der legendären, damals skandalösen TV-Spielshow „Wünsch dir was“ (1969–1972). Sie war ja echte ne hübsche Maus, aber hier hört man wieder, warum ihre Karriere als Sängerin trotz mehreren Versuchen nie vom Boden abhob. Lahme, süßliche Schlagerchen aus der Retorte mit dünnem Stimmchen. Schlager-Legende Christian Bruhn hat die wohl komponiert, na, der hat auch schon besseres gemacht.

Adrian Hoven (1922-1981) als Trompeter Willy war in diesen Jahren in allerlei Filmen dieser Art als jugendlicher Strahlemann und Frauenschwarm zu sehen. Später schrieb er Drehbücher und führte auch mal Regie, teilweise in ganz kuriosen Filmen. Ich prognostiziere: Er wird uns hier auf der Seite in Zukunft noch öfter über den Weg laufen. Bitte Namen merken. 😉 Seinen Sohn Percy Hoven kennt man vielleicht noch als Moderator in der Anfangszeit von „Big Brother“. In der letzten Zeit ist er wohl mit rechten und fremdenfeindlichen Umtrieben auf YouTube aufgefallen.

Leider müssen wir auch gleich mehrere Gesangseinlagen von Schnulzschmalzer Gerhard Wendland (1919-1996) ertragen. Der hatte hier auch schon seine beste Zeit hinter sich und grinst sich hier durch Schnulzen der Güteklasse C. Ich denke, ich bin ja echt abgehärtet, was schlechte Schlager angeht, aber der Junge schafft mich. Man kriegt Diabetes vom Zuhören.

Ein gewisser Peter Fritsch turnt hier auch noch rum, ein Duett mit Vivi und ein Solosong. Dahinter verbirgt sich ein Österreicher, der unter dem Pseudonym Peter Fröhlich später bekannter wurde. Primär auf der Bühne zuhause, tauchte er in den 60ern hier und da mal in Filmen auf. Seine Gesangskarriere war wohl auch ein Flop, nur eine Handvoll Singles sind erschienen. „Ein kleines Zelt“ war immerhin auch von Christian Bruhn komponiert, allerdings mit einem klischeetriefenden Text von einem gewissen Günter Loose, der als einer der besten Schlagerdichter der Zeit gilt, hier aber wohl einen schlechten Tag hatte:

„Ein kleines Zelt ist unsere Welt,
dort wohnt im Sommer das Glück für uns beide.
Ein kleines Zelt im Sonnenschein,
was kann für dich und für mich schöner sein?

Blauer Himmel, weiße Wolken,
wir sind fröhlich tagein und tagaus.
Heut und morgen keine Sorgen,
denn bei uns ist die Liebe zu Haus.“

Jetzt mal ohne Quatsch, das klingt wie eine Parodie von Oliver Kalkofe.

In kleinen Rollen haben wir noch die üblichen Verdächtigen Ralf Wolter und Beppo Brehm zu vermelden.

Am Ende gibt es noch so eine Art Medley von allen Songs des Films, damit wir diese Granatensongs auch wie wieder vergessen und alle brav die Singles kaufen. Was wohl niemand tat. Und womit? Mit Recht.

Unlustige Komödie mit Schlagern aus der untersten Schublade. Hüllen wir den Mantel des Schweigens um dieses Machwerk. Kann auch ein Heinz Erhardt nicht mehr retten. Aber was sag ich – es gibt ganz aktuell eine Neuauflage auf DVD. Na denn! Wird seine Fans finden.

Schnulzschmalzer Gerhard Wendland
Beppo Brehm – „Ruhe, wenn die Obrigkeit spricht!“
Arbeitstitel des Films war „Niemand sündigt im Bikini
Nichts schreit mehr „Wirtschaftswunder!“ als Heinz Erhardt auf einer Hollywood-Schaukel
Der Pretorska palača in Koper, Slowenien (20 km von Trieste)