Klassenkeile (D 1969)

Regie: Franz Josef Gottlieb
Buch: Kurt Nachmann, Paul Hengge
Produzent: Horst Wendlandt / Rialto Film, Berlin
Premiere: 28. März 1969

1968 gelang der Franz Seitz Filmproduktion mit „Die Lümmel von der ersten Bank“ ein Überraschungserfolg. Neben den insgesamt sechs „offiziellen“ Fortsetzungen versuchten auch andere Produktionsstudios, ein Stück vom Kuchen abzuhaben. Lisa Film versuchte sein Glück mit dem hier bereits behandelten Immer Ärger mit den Paukern im Oktober 1968. Der immer geschäftstüchtige Horst Wendlandt (1922-2002) mit seiner Rialto Film erkannte die Chance, und warf nun seinerseits auch „Paukerfilme“ ins Rennen. Am 28. März 1969 feierte „Klassenkeile“ Premiere, nachdem er bereits am zweiten „offiziellen“ Teil beteiligt war.

Dies ist also einer der Filme der Reihe, mit denen Franz Seitz nichts zu tun hatte. Mit Uschi Glas gelang es, einen der damaligen Kassenmagneten zu verpflichten, und in kleinen Rollen sind hier einige der Schauspieler zu sehen, die auch bei der Konkurrenz mitwirkten, vor allem Rudolf Schündler und Hans Terofal, die uns hier ja schon zur Genüge vor die Linse gelaufen sind.

Das Drehbuch schrieb mal wieder die bewährte Kraft Kurt Nachmann zusammen mit einem gewissen Paul Hengge, der mir bis eben unbekannt war. Er war zu der Zeit fest bei Rialto Film angestellt und schrieb einiges an Skripten, von einzigen Edgar-Wallace-Filmen bis hin zu aufklärerischen Obskuritäten wie „Van de Velde: Das Leben zu zweit – Die Sexualität in der Ehe“ (1969).

Mal sehen, was die beiden sich da ausgedacht haben. Wir lernen Manuela (Anita Kupsch) kennen, die in der Schule vor allem durch Unwissen und Aufsässigkeit glänzt. Nach einem weiteren Streich fliegt sie von der Schule, sie hat eh keine Lust auf Abitur und will lieber ihren Freund, einen Obst- und Gemüsehändler, heiraten.

Derweil sitzt Katja (Uschi Glas) im Büro, sie ist Nachwuchsjournalistin und schreibt eine Reportage über die heutige Schule, basierend auf den Erlebnissen ihrer Freundin Manuela. Sie ist bekanntlich gerade geflogen, und Katja beschließt, sich selbst als Schülerin in eine 13. Klasse unter dem Namen von Manuela einzuschleusen und aus erster Hand zu recherchieren. Verwechslungskomödie incoming, die Dinger hat Kurt Nachmann echt im Akkord geschrieben.

Natürlich gibt es einen „coolen“ Lehrer, Dr. Wagner (Walter Giller), den unbeliebten Streber, ein komisch schiefgehendes Chemie-Experiment und generell viele der klassischen plot points des Genres werden aufgegriffen. Der „coole“ Lehrer wird natürlich vom alteingesessenen Lehrkörper scheel angekuckt, sie wollen ihn loswerden, die Schüler*innen wollen dies verhindern. Man könnte es etwas böse formulieren: Es ist eine billige Raubkopie der originalen „Lümmel“-Filme, gemischt mit einem guten Schluck „Feuerzangenbowle“. Die dünne Handlung wird episodenhaft durch mehr oder weniger originelle Streiche gestreckt.

Rudolf Schündler spielt hier auch einen Lehrer namens Dr. Krapp-Krapproth, einer der größeren Rollen, der direkt mit diesem wunderbar absurdem Monolog auffällt und einem noch heute daran erinnert, welches Geistes Kind der Lehrkörper dieser Zeit war. Diese Filme entstanden zu einer Zeit des Umbruchs, Stichwort „Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren“. Dr. Krapp-Krapproth trifft den Direktor auf dem Flur und beklagt sich:

„Schon wieder, es ist unerhört! Herr Direktor, ich unterrichte gerade deutsche Geschichte – was heißt deutsch – preußische Geschichte! Und ich versuche gerade bei den jungen Leuten, die uns ja nun mal eben anvertraut sind, die Andacht wachzurufen, die ja schließlich Preußens Gloria gebührt! Und was machen Dr. Wagner und seine Oberprima? Negermusik! Zack zack zack bumm bumm!“

Dr. Krapp-Krapproth
Rudolf Schündler als preußischer Oberlehrer Dr. Krapp-Krapproth

Schön auch, dass der Direktor nach „Negermusik“ auch direkt kleinlaut „Schwarze! Schwarze Musik …“ einwirft. Man darf ja nichts mehr sagen in Deutschland! Mensch, schon 1969 „woke“, da würden heute direkt wieder die Kommentarspalten glühen. Absurd, dass darüber 2023 allen Ernstes immer noch diskutiert wird.

Wenn du denkst, du spankst, dann denkst du nur du spankst. Uschi Glas kriegt Klassenkeile. Jeder darf mal.

Ein weiterer Lehrer wird von Ulrich Beiger (1918-1996) gegeben, der mir vor allem aus „Das verrückteste Auto der Welt“ (1975) bekannt ist, aber in jenen Jahren viel im Kino zu sehen war, und später auch im Fernsehen (und ja, natürlich auch in zwei Folgen von „Derrick“).

Walter Giller (1927-2011) hatten wir auch schon mehrfach – er spielt hier den sympathischen Junglehrer überzeugend. Näheres zu ihm habe ich bereits beim Film Liebe auf krummen Beinen (1959) geschrieben.

Walter Giller, Ulrich Beiger

Hans Terofal (1923-1976) hat hier nur eine kleine Rolle, er ist der Kapellmeister einer bayrischen Blaskapelle, die während einer Klassenarbeit im Schulfoyer zünftige Blasmusik spielt. Er hat sichtlich Spaß dran, zumindest muss er nicht saufen und albern rumzappeln.

Hans Terofal hat Gaudi – „Wir sind bezahlt worden, dass wir hier blasen, daher blasen wir hier!“

Herbert Weissbach (1901-1995) ist direkt in der ersten Szene der Lehrer. Zu ihm habe ich auch hier und da schon öfter was geschrieben, schön, dass er hier mal mehr als einen Satz sagen darf. Auch er ist uns schon mehrfach über den Weg gelaufen, z. B. in Der Partyphotograph.

Manuelas Vater ist noch prominent besetzt – das Kölner Urgestein Willy Millowitsch (1909-1999) gibt sich die Ehre, sein Film direkt vor dem noch absurderen, hier schon behandelten Charley’s Onkel. Hier jagt er keine Nutten, sondern spielt eine typische Millowitsch-Figur, der joviale, gutgelaunt-kieksende Sympath.

„Ein Kuss! Empööörend!“ – „Ich sag’s ja, der Sex … kommt auch auf uns zu … UNAUFHALTSAM!“ (Vielleicht der beste Gag des Films.) (Inge Wolffberg, Rudolf Schündler)

Ach ja, noch ein paar Worte zu den Damen. Uschi Glas dürfte auch heute noch geläufig sein, die andere weibliche Hauptrolle Manuela Schulz wird von Anita Kupsch gespielt. Der Name sagte mir zugegebenermaßen nichts. Ihre Filmographie ist auch recht lang, das meiste ist wohl eher dem Vergessen anheim gefallen. Serienfreunde könnten sie noch aus „Praxis Bülowbogen“ kennen, wo sie von 1987 bis 1996 mitspielte. Der Rest der jüngeren Damen sind mehr Deko. Gegen Ende des Films taucht noch Wilma (* 1957) auf, damals so was wie das Pendant zu Heintje, die irgendwas von Glück und Sonnenschein trällert. Das Lied kam als Single nicht mal in die Top 100, und womit? Mit Recht. Immerhin gibt es einen schönen Meta-Gag: Der Direktor (Werner Finck) direkt nach dem Lied:

„Nachdem wir nun unserem lieben Heintje, äh, Wilma – Heintje war ja im letzten Film – gehört haben, wollen wir nun zur Tagesordnung weitergehen…“

Eine Erwähnung wert ist noch die ältliche Lehrerin Dr. Sieglinde Boll, gespielt von Inge Wolffberg (1924-2010), die mir vage bekannt vorkam – Heinz-Erhardt-Fans könnten sie noch als „Fräulein Grauvogel“ aus „Was ist denn bloß mit Willi los?“ (1970) kennen. Hier hat sie einige schöne Szenen mit Rudolf Schündler, kleine Lichtpunkte in diesem Machwerk.

Insgesamt ein lauwarmer „Feuerzangenbowle“-Aufguss, trotz vieler bekannter Spaßnasen erstaunlich humorbefreit, vorhersehbar und abgekupfert und trotz nur 88 Minuten Lauflänge zäh. Dennoch war es kommerziell ein „mehr als zufriedenstellender“ Erfolg. Vielleicht wollten die auch alle nur sehen, wie Uschi Glas der Hintern versohlt wird. Wer weiß. Darauf ein zackiges „Zack zack zack bumm bumm“.

Wer’s sehen will: Ist sowohl auf einer ganz alten UFA-Videokassette (bei Taurus) zu haben als auch als DVD in einer „Uschi-Glas-Box“ bei Universum Film erschienen.

Charley’s Onkel (D 1969)

Regie: Werner Jacobs

Buch: Kurt Nachmann

Produzent: Allianz Film Produktion GmbH, Berlin (Heinz Willeg),
Terra Filmkunst

Premiere: 18. April 1969

Ein Film wie ein Fiebertraum. Ein weiterer Baustein in meiner selbst gesteckten Challenge, alle Filme mit Beteiligung von Heinz Erhardt zu sichten, und das ist wohl das skurrilste Machwerk, in dem er je auftauchte. Er hat hier auch nur eine kleine Rolle, mehr ein Cameo. Aber was für ein Cast! Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es wirklich einen Film gibt, in dem Heinz Erhardt und Karl fucking Dall mitwirken? Mindblowing. Leider sind sie nie in einer Szene, das hätte wohl einen Riss in der Humor-Matrix gegeben.

Hier wird allerlei aufgefahren an großen Namen des damaligen Komödienschaffens. Regisseur Werner Jacobs ist ein alter Haudegen im Gerne und kurbelte allerlei lustig gemeintes und sollte ein paar Jahre später noch drei der vier „Willi“-Filme mit Erhardt drehen. Autor Kurt Nachmann ist uns hier auch schon des Öfteren über den Weg gelaufen, später dazu mehr.

Was den Film etwas besonders macht – hier treffen Opas Pantoffelkino und 68er Anarcho-Humor aufeinander. Der Clou an dem Film ist „Insterburg & Co“, die Band um Ingo Insterburg, zu der eben auch Karl Dall gehörte. Ein Running-Gag ist, dass Insterburg sich konstant über alles „Scheiß-Bürgerliche“ echauffiert.

Sonst kommt hier echt eine beeindruckende Kollektion von deutschen Spaßnasen zusammen, viele alte Bekannte des Genres. Von den alten Haudegen wie Hubert von Meyerinck und Willy Millowitsch bis hin zur damals aktuellen Generation wie Gila von Weitershausen (die nominelle Hauptrolle) und besagte Insterburg & Co.

Willy Millowitsch und Heinz Erhardt

Quasi der Avengers des deutschen Lustspiels. Gustav Knuth in einer Doppelrolle! Erna Sellmer, die sich auch noch als Mann verkleidet! Gunther Philipp! Edith Hancke! Ralf Wolter! Hans Terofal! Herbert Weißbach! Ja, sogar der von mir bekanntlich sehr geschätzte Rudolf Schündler! Viele nur in kurzen Gastauftritten, aber dennoch schon beeindruckend. Sogar der spätere Komödien- und Exploitation-Regisseur Rolf Olsen hat einen Auftritt (ja, der mit den Satansmädchen). Das damalige Sexsternchen Andrea Rau zieht mal blank und als Sahnehäubchen auf diese Torte des Kartoffel-Wahnsinns schaut noch mal ein junger Karel Gott vorbei, in „seinem ersten deutschen Spielfilm“, wie der Trailer stolz verkündet.

Gila von Weitershausen, Hans Terofal

Als wäre das alles nicht schon bizarr genug: Wir schreiben das Jahr 1969. Erfolgreiche Filme müssen Brüste haben. Und wir haben hier allerlei Nuditäten zu bewundern, es geht um käufliche Liebe. Willy Millowitsch lüstern wie Nachbars Lumpi eine (vermeintliche) Nutte jagen zu sehen hat schon etwas von einem Fiebertraum nach einer Überdosis seltsamer Filme und Eierlikör. Aber: Ja, dieser Film existiert.

Nebenbei: Wer auf nackte Tatsachen von Gila von Weitershausen hofft, dürfte eher enttäuscht werden, es gibt eine Umkleideszene von hinten, wenn man blinzelt, verpasst man es. In „Der Bettenstudent“, wo sie ja auch mitwirkte, kann ich mich zumindest an keine Nackedei-Szene erinnern. Sie in der Zeit in vielen seltsamen Filmen der frühen Sex-Welle mitgewirkt, mal sehen, was uns in „Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter“ oder „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh„, beite auch von 1969, so für Abenteuer erwarten, sofern ich die in die Finger kriege. Abenteuer deutsches Nachkriegskino.

Willy Millowitsch will Gila von Weitershausen an die Wäsche
„Mensch, sei doch nicht so scheiß-bürgerlich!“
Ingo Insterburg und Loni Heuser

Ein Nachteil des extrem großen Casts ist, dass die Handlung für so ne olle Klamotte echt kompliziert ist. Dauert denkt man – Moment, wer war das noch, warum macht er/sie dies oder das, was sind die Beziehungen? Man lese die grotesk lange Inhaltsangabe auf Wikipedia. Alle Nase lang werden Leute verwechselt und Pläne geschmiedet. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier um die Gastauftritte „drumrum“ geschrieben wurde, neben der üblichen Verwechslungs-Blaupause.

Die Grundprämisse ist schon recht abstrus – Carla Werner, genannt Charley, ist Fahrlehrerin. Jung und hübsch, wird ihr vom Fahrschüler (Hans Terofal, of all people) ans Knie gefasst. Sie hat es satt und kündigt, nachdem ihr Chef (Hubsi) kein Verständnis für ihre Pein hat. Ihre Freundin Lilo ist Prostituierte, diese reist für 3 Wochen in Urlaub. Sie übernimmt ihre Wohnung und schließlich auch ihren Job. Ihr erster Freier ist – Rudolf Schündler. Der prompt den Hintern versohlt bekommen will. Alter. You can’t make that shit up.

Gila von Weitershausen, Rudolf Schündler

„Hey, ich kündige meinen Job, weil ich von Hans Terofal ans Knie gefasst werde, und arbeite dann als Callgirl!“ Ich mein: Hä?

„Ich bin’s, der Karel! Ich singe jetzt mal komplett unmotiviert zwei Songs, um den Film auf 90 Minuten zu kriegen!“

Wie bereits erwähnt taucht auch Karel Gott auf, dessen zwei Songs man absitzen muss. Lustigerweise wird er, sobald er spricht, synchronisiert, wenn mich mein Ohr nicht täuscht von Gerd Duwner. Komplett sinnfreie Szene für einen Scheck von der Plattenfirma.

Nach geschlagenen 50 Minuten kommt dann der Auftritt von Heinz Erhardt als Vertreter für eine Art Raumerfrischer. Erhardt macht das beste aus dem Material, rettet den Film aber auch nicht in den paar Minuten.

Ein weiterer dieser deutschen Filme der Zeit, die man gesehen haben muss, um sie zu glauben. Immer wieder gibt es Szenen, bei denen ich mich fragte: Welche Drogen haben die sich damals reingepfiffen, um auf so was zu kommen? Auf jeden Fall durchaus interessant, wie Kurt Nachmann hier versucht, auch „die jungen Leute“, sprich: damalige Studierende, anzusprechen durch Sponti-Sprüche und Frivolitäten. Das ist schon ziemlich weit entfernt von spießigen Fleischbeschaufilmchen wie z. B. die Werke von Franz Antel – die ja kurioserweise oft auch von Nachmann geschrieben wurden, beispielsweise „Frau Wirtin bläst auch gern Trompete“. Fun fact: Nachmann hat 1969 alleine 10 (!), in Worten: zehn, Drehbücher geschrieben.

Auch wenn das schon a different kind of animal ist wie die Frau-Wirtin-Filme, merkt man durchaus, dass das Weltbild genauso altbacken und reaktionär ist wie sonst, denn die von Ingo Insterburg darstellte Figur als „Klischee-68er“ ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wenn er da in einer gemusterten 70er-Jahre-Unnerbüchs rumturnt ist das schon harte Fremdscham.

Nicht ganz so haarsträubend durchgeknallt wie „Der Bettelstudent“, aber schon ein ziemliches Brett. Hat aber mehr Brüste, Autostunts (!) und Heinz Erhardt auf der Habenseite. Immerhin.

Was man allerdings nicht erwarten darf: Einen „Heinz-Erhardt-Film“, auch wenn er groß auf dem Cover ist. Sowohl bei der alten Videoauswertung in den 80ern als auch auf der neuen DVD von Filmjuwelen, die das Originalmotiv übernommen haben. Das grenzt schon an irreführende Werbung.

Die Engel von St. Pauli (D 1969)

Regie: Jürgen Roland
Buch: Werner Jörg Lüddecke, Karl Heinz Zeitler
Produktion: Ernst Steinlechner / Studio Hamburg
Premiere: 24. Oktober 1969

Eine Weile, so um 1970 rum, waren in Deutschland die „St.-Pauli-Filme“ im Trend, waren sie doch auch immer eine willkommene Ausrede, ein bisschen nackte Haut zu zeigen, meist mit einer Kriminalhandlung umgeben. Meiner Kenntnis nach hat Jürgen Roland das mehr oder weniger erfunden, und das ist einer der ersten neben Rolf Olsen.

Die Handlung von „Die Engel von St. Pauli“ bemüht einen der klassischen Gangsterfilm-Plots: ein Gangkrieg zwischen Konkurrenten. Die alteingesessenen Luden und die neue Konkurrenz aus Wien kämpfen um die Vorherrschaft auf dem Kiez. Dabei gibt es natürlich ordentlich aufs Maul und das eine oder andere Unterweltsgewächs muss auch dran glauben. Besonders eindringlich einem Herrn mit dem schönen Spitznamen „Schwuli“, der zwecks Meuchelung vor eine einfahrende U-Bahn geschubst wird.

Weil das auf die Dauer etwas öde wird, gibt es noch einen Plot. Eine der neuen Damen am Kiez ist gehörlos, wird dann auch prompt „die taube Lisa“ getauft. Ein Freier bekommt den Lümmel nicht hoch, sagt als Ausrede im Ernst: „Hatte die Tage zu viel Hasch gehabt“ (!), und macht aus der tauben Lisa eine tote Lisa. Derweil läuft im Hintergrund die schlechteste Coverversion von „House Of The Rising Sun“, die sich der Film leisten konnte. Die Jagd nach dem „Dirnenmörder“ beginnt – beide Gangs und die Polizei sind hinter ihm her.

Die Geschichte ist fast Nebensache. Der Film besticht neben der soliden Kriminalgeschichte vor allem durch Lokalkolorit und natürlich aus heutiger Sicht mit hohem Nostalgiefaktor. Ein Blick in eine vergangene Welt.

Wer die Reeperbahn von heute kennt, bekommt quasi direkt am Anfang des Films schöne Totalen zum Vergleich, wie das alles 1969 aussah. (Auch wenn früher bekanntlich ja alles besser war: die Nachkriegsbetonklötze wird wohl kaum jemand vermissen.)

Das Panoptikum (ein Wachsfigurenkabinett mit langer Geschichte) wird auch erwähnt, was wohl das einzige Gebäude dort ist außer der Davidwache, das noch fast wie damals aussieht. Würde mich nicht wundern, wenn das Reklame-Neonlicht noch das selbe ist.

An Menschen zu beäugen gibt es Horst Frank als gewohnt zwielichtiger Unterweltsboss, Herbert Fux (1927-2007) (hat der eigentlich in der Zeit eigentlich irgendwo NICHT mitgespielt?) und viele andere bekannte Hamburger Gesichter. Gernot Endemann (1942-2020) z. B. als junger Gauner Blinky (wieso heißt der wie der Cousin von ALF?), dem in einer Szene zwischen zwei Autos gespannt die Hammelbeine lang gezogen werden zwecks Verhör. Nicht nett.

Der Dirnenmörder wird von einem gewissen Werner Pochath gegeben. Der Name sagte mir spontan nichts, auch wenn er mir irgendwie bekannt vorkam. Der Kollege war in den 70ern und 80ern in allerlei Genrekost zu bewundern, mit am bekanntesten dürfte er aber wohl (mit markanter blonder Haartracht) als bad guy im Bud-Spencer-Vehikel „Plattfuß in Afrika“ (Piedone l’africano, ITL 1978, Stefano „Steno“ Vanzina) sein.

Ach ja, falls euch Horst Franks Stimme irgendwie bekannt vorkommt – in den frühen Folgen der Drei Fragezeichen spricht er den Hauptkommissar Reynolds. Auch Gernot Endemann war in den EUROPA-Studios in Hamburg gern und oft gesehener Gast, wie sicherlich noch andere aus dem Film, die ich übersehen oder nicht erkannt habe. Kurioserweise wird er hier von Andreas von der Meden (1943-2017) nachsynchronisiert („Skinny Norris“ und „Morton, der Chauffeur“ bei den Fragezeichen, deutsche Stimme von David Hasselhoff und Kermit).

Ein paar besondere Szenen sind noch zu erwähnen. Ab Minute 73 sehen wir ein Tätowierstudio der ganz alten Schule, als Tätowierungen noch was für halbseidene Seeleute und grimmige Knastbrüder waren. Und ab Minute 86 befinden wir uns für das große Finale auf dem Hamburger Fischmarkt mit ein paar schönen Einstellungen, die das rege Treiben dort dokumentieren.

Lohnt sich der Film? Ein im klassischem Sinne „guter“ Film ist es wohl eher nicht. Fühlt sich etwas an wie eine überlange Krimi-Serie, das Budget war sicher auch nicht überwältigend. Jürgen Rolands Wurzeln lagen auch mehr im TV-Krimi, „Stahlnetz“ (1953-1961), „Dem Täter auf der Spur“ (1967-1973) und eine ganze Reihe „Tatort“-Episoden gehen auf sein Konto. Schon 1953 schrieb er mit „Der Polizeibericht meldet …“ Fernsehgeschichte. In der Sendung wurden dokumentarisch echte Fälle dargeboten, im Prinzip also das Konzept von „Aktenzeichen XY“ erfunden, das bis heute läuft. Das ganze basierte auf der amerikanische Serie „Dragnet“.

Die Schauspieler gehen größtenteils in Ordnung, aber der heimliche Hauptdarsteller ist sicherlich das Hamburg des Jahres 1969. Für Hamburg-Fans und Nostalgiker ein Festmahl!

Lange schwer zu bekommen (es gibt laut ofdb nicht mal eine VHS-Auswertung), gibt es ihn seit einigen Jahren auf DVD oder Blu-ray vom Label Subkultur, top restauriert, in verschiedenen Versionen für jeden Geldbeutel. Ich schaute ihn im Stream beim schon öfter erwähnten Channel „Alles Kino“, der sich auf deutsche Kinofilme spezialisiert hat und da auch einige Obskuritäten wie diesen Film zu bieten hat.

Alle Kätzchen naschen gern (D 1969)

Alternativtitel: Im Schloß der wilden Triebe 
Regie: Josef Zachar
Buch: Kurt Nachmann, Günther Heller
Produktion: Karl Spiehs für Lisa-Film (München)
Premiere:19. September 1969

Was tut man nicht alles für die Chronisten-Pflicht. Da ich über einen Channel bei Prime gerade Zugriff auf diverse frühe deutsche Nackedei-Filmchen habe, machen wir doch das Trio voll und werfen noch einen Blick auf dieses Machwerk. Immerhin ist es eine frühe Produktion der Lisa Film, die in 80ern ja die Welt unter anderem mit den legendären Filmen mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger beglückte.

Ein Graf und ein Offizier erheben beide Besitzansprüche auf ein Schloss, in dem sie auch beide wohnen, in der Mitte durch einen roten Strich getrennt. Im Zuge der Streitigkeiten geraten sie beide in ein Bordell, oder so. Egal, irgendeine wirre Story, um Brüste zu zeigen. Gedreht wurde in Österreich.

Als Heinz-Erhardt-Fan hat mich auch ein Kuriosum bewogen, mir dieses Machwerk zu Gemüte zu führen: Es spielen dort mit Ralf Wolter und Helen Vita zwei Leute mit, die nur ein Jahr später in „Was ist denn bloß mit Willi los?“ mit Heinz eine WG bildeten. Ralf Wolter spielt dort den Kollegen und Freund („Ich bin nicht Winzig, ich bin nur Klein!“) und Helen Vita gibt die resolute Hauswirtin Frau Stirnima. Hier als dralle Puffmutter zu bewundern.

Ein Grund für den einen oder anderen, mal ein Äuglein zu riskieren, könnte auch die gewohnt bezaubernde Edwige Fenech sein, die in diesem Gurkenfilm komplett deplatziert wirkt und vieles drehbuchgemäß im Evaskostüm zu spielen hatte. Naja, sie war wohl jung und brauchte das Geld.

Auch Sieghardt Rupp dürften zumindest Tatort-Fans kennen – als Zolloberinspektor Kressin spielte er in der Tatort-Frühzeit in 10 Folgen mit. Oder in einer kleinen Rolle in „Für eine Handvoll Dollar“. Ziemlich schräg, dass es eine personelle Überschneidung dieses Klassikers mit diesem Schmarrn hier gibt.

Offenbar wurden einige der Darsteller komplett synchronisiert. Viele vertraute Stimmen, z. B. Gerd Martienzen im bestem Louis-de-Funes-Modus (z. B. ab Minute 10). Ich meine, auch Arne Elsholtz in einer kleinen Sprechrolle erlauscht zu haben. Rainer Brandt hat da wohl die Finger im Spiel gehabt, jedenfalls spricht er einen Charakter, ob er am Synchrondrehbuch beteiligt war, konnte ich so spontan nicht ermitteln. Undenkbar ist es nicht, hier und da gibt es schon mal Sprüche, die in die Richtung gehen.

Ralf Wolter öffnet eine Tür: „Wann wird man wieder mal ein Schlosszimmer betreten können, ohne mit was Nacktes drin …“

Oder ab Minute 54 – dort können wir einen Striptease beäugen, allerdings trägt die Dame originellerweise eine Ritter-Rüstung. Spruch aus dem Off dazu: „Nun nimm mal die Kotflügel ab, Mädel!“

Ich frage mich oft – hat man so etwas damals wirklich lustig gefunden? Saßen Leute im Kino, haben sich das oder ähnliche Machwerke angesehen und wirklich gelacht? Laut? Mit Klopfen auf Schenkeln oder andere Körperteile? Wobei – das frage ich mich bei zeitgenössischen lustig gemeinten Filmen auch oft.

Dieses Werk lief wohl auch in der Frühzeit der Privatsender gerne mal Freitagsnachts, im Archiv des SPIEGEL ist zumindest der 11.02.1990, 23.00 Uhr auf RTLplus und der 21.04.1991 ebenda dokumentiert. Wohl als Rausschmeißer nach der neusten Folge von „Tutti Frutti“. Das war noch niveauvolles Fernsehen.

Eigentlich nur für Hardcore-Fans von Edwige Fenech zu ertragen (die soll es ja geben). Ansonsten verzichtbar. Ansonsten schaut lieber Graf Porno. Oder den neusten Marvel.

VHS: JVC
DVD: Grabbeltisch-Ware von MCP
Stream: „Alles Kino“-Channel bei Prime

Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter (D 1969)

Regie: Günter Hendel
Buch: Günter Hendel, Alois Brummer (als Sven Ole Larson)
Produktion: Alois Brummer
Premiere: 5. Dezember 1969

Alois Brummer (1926-1984) war ein lustiger Geselle. In den späten 1960er Jahre weht die Sexwelle durch die Bundesrepublik, vom aufklärerischen Geist der 68er beflügelt. Alle Welt rennt in pseudo-wissenschaftliche Aufklärungsfilmchen, Hauptsache, es gibt nackte Haut zu sehen. Da dachte der Alois sich wohl so etwas wie: „Joa mei, des kann i aach“ und fing an, bayrisch angehauchte Mischungen aus Softerotik und Lustspiel zu produzieren.

Graf Porno und seine Mädchen“ von 1969 wurde ein großer Erfolg. Danach ging es flott weiter mit ähnlichen Machwerken.

Hier haben wir also das zweite Filmabenteuer rund um den Grafen Garibaldus Porno von Gailsberg. Ja, echt, kein Scherz. Der alte, etwas abgetakelte Graf will seinen Filius mit einer der sechs Töchter der wohlhabenden Amerikanerin mit dem hübschen Namen Susan Paleface verkuppeln. Und damit er sich auch die richtige aussucht, soll er alle sechs bitte einmal probe-beschlafen. Wie man das halt so macht in Bayern, scheinbar. Das ist der lose Rahmen für kleine Episödchen, die mehr oder weniger immer nach dem gleichen Schema ablaufen: Der Sohn mit dem wunderbaren Namen Peter Porno lernt Uschi kennen, innerhalb von fünf Minuten knöpft sie sich ihre Polyester-Bluse auf und ran an den Speck. Natürlich für 1969 entsprechend keusch.

Am Schluss kommt natürlich alles ganz anders, als man denkt. Muaha. Aber ich will ja nicht spoilern, gelle.

Bisschen aus der Reihe fällt optisch eine Szene, die auf einer Go-Kart-Bahn spielt. Peter Porno gibt sich als Rennfahrer aus, weil die reiche Tochter auf selbige steht. Also gurken sie da durch die Gegend, und nach einem grandios gefilmten „Unfall“, wie man ihn sonst nur bei James Bond sieht, landen sie im Gras und schwupps, naja, Sie wissen schon. War mir jedenfalls gar nicht bewusst, dass es solche Bahnen schon in den 60ern in Deutschland gab.

Ansonsten sieht der Film genauso billig aus, wie er wohl war. Viel Innenaufnahmen in nichtssagenden Räumen, teilweise sieht es aus wie der Keller im Hause Brummer. Würde mich nicht wundern, wenn es so war.

„Ja, geh, wir brauchen’s ka Studio, viel zu deier. Wir drehe aafach bei uns im Keller.“

In der Besetzung sind eigentlich nur zwei Namen erwähnenswert. OK, drei, denn der Regisseur Günter Hendel lässt es sich nicht nehmen, mit einer lächerlichen Perücke auf alt getrimmt den alten Grafen zu geben. Ansonsten haben wir noch den unvermeidbaren Rinaldo Talamonti in einer frühen Rolle, und Fans der Lindenstraße dürfen sich über eine junge Annemarie Wendl (wobei, sie war da auch schon 55) freuen, die des Grafen Köchin gibt, aber natürlich keusch den Pullover anbehält.

„Wenn ich mal groß bin, will ich in der Lindenstraße wohnen!“

Wie die meisten Filme dieser Art ist das alles so erotisch wie eine Dose Hundefutter, ist aber historisch nicht uninteressant aufgrund des frühen Entstehens, in den ersten Zuckungen der Sexwelle, sozusagen. Eine Art lustig gemeinter Heimatfilm, nur mit blanken Brüsten und Go-Karts. Eine Episode spielt gar in Italien, mitsamt Peppone-Verschnitt, um den Wirtschaftswunder-Deutschen noch etwas Urlaubsfeeling aus bella Italia einzubimsen.

Wer mal ein Auge riskieren will, wird aktuell bei Amazon Prime fündig. Neben dem alten UFA-Tape gibt es diesen Quark tatsächlich auch als Silberscheibchen zu kaufen. Wird die gleiche Version wie auf Prime sein, die durch wirklich gutes Bild überrascht für so ein obskures 60er-Jahre-Filmchen. Keine Ahnung, wer sich so was kauft und ins Regal stellt.

VHS: UFA
DVD: WVG Medien

Peter Porno – Blumenschenker, Rennfahrer und Weiberheld