Die Post geht ab (D 1962)

Regie, Buch: Helmuth M. Backhaus
Produktion: Piran-Film + Televisions GmbH (Egon Haebe)
Premiere: 21. September 1962

Noch ein Film für den Heinz-Erhardt-Komplettisten. In diesem seichten Schlagerkomödchen spielt er allerdings nur eine Nebenrolle.

Ansonsten ist das ein typisches Produkt der Wirtschaftswunderzeit. Die Herren tragen Anzug, haben schicke Autos, und Italien ist der Sehnsuchtsort. Da muss man als anständiger Deutscher einfach hin im Urlaub.

Willy (Adrian Hoven) ist Trompeter in einer Bar-Band. Wir lernen ihn auf dem Weg zum Amtsgericht kennen, wo er eine Erbschaft antreten soll. Doch statt des erhofften Geldsegens erbt er von seinem verstorbenen Onkel einen schrottreifen Reisebus.

Willy aufm Amt
Die Erbschaft

Mit dem fahren sie, die Band und diverse Damen, dann nach Triest (warum eigentlich, ach, auch egal, irgendwas mit einem Schlagerwettbewerb), die Väter der Damen (einer davon ist Heinz Erhardt) fahren hinterher, um sie zu „beaugapfeln“. Ralf Wolter macht den Kasper, es wird gegrinst und gesungen, am Schluss finden sich alle vorhergesehenen Paare und die Welt besteht aus Zuckerwatte. Hach ja!

Eine sehr seichte Komödie aus der damaligen Massenproduktion, die ohne Erhardt wahrscheinlich schon lange vergessen wäre. Seine screen time ist hier allerdings auch sehr begrenzt, und er hat wenig Raum zum Improvisieren, sprich er sagt mehr oder weniger das auf, was im Drehbuch steht, was meist nur so mittel bis gar nicht witzig ist.

Für Autor und Regisseur Helmuth M. Backhaus (1920-1989) war es der erste Kinofilm als Regisseur, vorher hatte er schon einige Drehbücher (mit)verfasst, war aber primär Autor in Theater und Rundfunk.

Das Drehbuch basiert laut Vorspann auf „einer Idee von Hans Billian“. Das ist allerdings lustig. Hans Billian (1918-2007) wirkte in den 60ern in einigen solcher Schlagerfilmchen mit, bis er um 1968 langsam anfing, sich im Erotikbereich zu etablieren, mit Mopsfilm-Knallern wie „Die Jungfrauen von Bumshausen“ oder „Pudelnackt in Oberbayern„. Ab 1975 sollte er – nach der Legalisierung der Pornographie – als einer der ersten und professionellsten Pornofilmer Deutschlands in die Filmgeschichte eingehen. Mit „Josefine Mutzenbacher – Wie sie wirklich war“ (1975/76) ist er auch für den ersten deutschen Porno-Kinofilm überhaupt verantwortlich. Sprich: Ein größerer Kontrast zu diesem harmlosen Singsang-Lustspiel ist kaum denkbar.

Als weibliche Hauptrolle haben wir Vivi Bach (1939-2013) zu vermelden. Hier versuchte man noch, sie als Schlagersängerin zu etablieren. Philips hatte sie seit 1960 unter Vertrag und ballerte eine Single nach der anderen raus, die alle nicht mal die Hitparade kamen. Später sollte sie dann Dietmar Schönherr heiraten und zusammen eins der berühmtesten Paare der 70er werden, auch als Moderatorengespann in der legendären, damals skandalösen TV-Spielshow „Wünsch dir was“ (1969–1972). Sie war ja echte ne hübsche Maus, aber hier hört man wieder, warum ihre Karriere als Sängerin trotz mehreren Versuchen nie vom Boden abhob. Lahme, süßliche Schlagerchen aus der Retorte mit dünnem Stimmchen. Schlager-Legende Christian Bruhn hat die wohl komponiert, na, der hat auch schon besseres gemacht.

Adrian Hoven (1922-1981) als Trompeter Willy war in diesen Jahren in allerlei Filmen dieser Art als jugendlicher Strahlemann und Frauenschwarm zu sehen. Später schrieb er Drehbücher und führte auch mal Regie, teilweise in ganz kuriosen Filmen. Ich prognostiziere: Er wird uns hier auf der Seite in Zukunft noch öfter über den Weg laufen. Bitte Namen merken. 😉 Seinen Sohn Percy Hoven kennt man vielleicht noch als Moderator in der Anfangszeit von „Big Brother“. In der letzten Zeit ist er wohl mit rechten und fremdenfeindlichen Umtrieben auf YouTube aufgefallen.

Leider müssen wir auch gleich mehrere Gesangseinlagen von Schnulzschmalzer Gerhard Wendland (1919-1996) ertragen. Der hatte hier auch schon seine beste Zeit hinter sich und grinst sich hier durch Schnulzen der Güteklasse C. Ich denke, ich bin ja echt abgehärtet, was schlechte Schlager angeht, aber der Junge schafft mich. Man kriegt Diabetes vom Zuhören.

Ein gewisser Peter Fritsch turnt hier auch noch rum, ein Duett mit Vivi und ein Solosong. Dahinter verbirgt sich ein Österreicher, der unter dem Pseudonym Peter Fröhlich später bekannter wurde. Primär auf der Bühne zuhause, tauchte er in den 60ern hier und da mal in Filmen auf. Seine Gesangskarriere war wohl auch ein Flop, nur eine Handvoll Singles sind erschienen. „Ein kleines Zelt“ war immerhin auch von Christian Bruhn komponiert, allerdings mit einem klischeetriefenden Text von einem gewissen Günter Loose, der als einer der besten Schlagerdichter der Zeit gilt, hier aber wohl einen schlechten Tag hatte:

„Ein kleines Zelt ist unsere Welt,
dort wohnt im Sommer das Glück für uns beide.
Ein kleines Zelt im Sonnenschein,
was kann für dich und für mich schöner sein?

Blauer Himmel, weiße Wolken,
wir sind fröhlich tagein und tagaus.
Heut und morgen keine Sorgen,
denn bei uns ist die Liebe zu Haus.“

Jetzt mal ohne Quatsch, das klingt wie eine Parodie von Oliver Kalkofe.

In kleinen Rollen haben wir noch die üblichen Verdächtigen Ralf Wolter und Beppo Brehm zu vermelden.

Am Ende gibt es noch so eine Art Medley von allen Songs des Films, damit wir diese Granatensongs auch wie wieder vergessen und alle brav die Singles kaufen. Was wohl niemand tat. Und womit? Mit Recht.

Unlustige Komödie mit Schlagern aus der untersten Schublade. Hüllen wir den Mantel des Schweigens um dieses Machwerk. Kann auch ein Heinz Erhardt nicht mehr retten. Aber was sag ich – es gibt ganz aktuell eine Neuauflage auf DVD. Na denn! Wird seine Fans finden.

Schnulzschmalzer Gerhard Wendland
Beppo Brehm – „Ruhe, wenn die Obrigkeit spricht!“
Arbeitstitel des Films war „Niemand sündigt im Bikini
Nichts schreit mehr „Wirtschaftswunder!“ als Heinz Erhardt auf einer Hollywood-Schaukel
Der Pretorska palača in Koper, Slowenien (20 km von Trieste)

Tanze mit mir in den Morgen (Ö 1962)

Regie: Peter Dörre
Buch: Franz Arndt, Daniela Holl
Produktion: Wiener Stadthalle-Station Betriebs-und Produktionsgesellschaft / Karl Spiehs (ja, genau der)
Premiere: 13. August 1962

Ok, ich weiß, ich bin gerade echt auf komischen Pfaden durch die Kinogeschichte unterwegs. Aber hey, was tut man nicht alles für die Wissenschaft! Beim großen Rundumschlag durch das deutsche Filmschaffen kann man auch solche Werke nicht umgehen, schließlich waren das damals mit die erfolgreichsten Filme. (Ja, das ist ein österreichischer Film, rechne ich mal großzügig dazu.)

Links im Bild: Heinz Beckers Mode-Vorbild

„Tanze mit mir in den Morgen“ ist quasi die „Bravo Hits“ von 1962. Ein dünner Plot um ein kleines Theater dient als Vorwand für ein Stelldichein der tollsten Hits des Jahres. Das Theater soll abgerissen werden, weil dort der Donaupark entstehen soll, der 1964 zur Internationalen Gartenschau gebaut wurde, auch in der echten Welt.

Der Theaterleiter des bedrohten Kulturtempels wird von dem 1930-1960 omnipräsenten Paul Hörbiger (1894-1981) gespielt. Am Ende fackelt der ganze Bums ab, er singt eine traurige Weise mit einer Träne im Knopfloch, bekommt dann aber eine „außerordentliche Genehmigung“ der Stadt Wien und kann eine Art Schlager-Club auf einem Donauschiff betreiben. Puh! Alle zusammen trällern „Ein Wiedersehen an der Donau“ oder so was und alles ist wieder gut. Abspann.

Ansonsten kann man hier einige bekannte Künstlerinnen und Künstler zu Beginn ihrer langen Karriere in bonbonfarbenem Eastman-Color bewundern. Rex Gildo (1936-1999) gibt den Schmachtfetzen „Wir beide sind allein“ zum Besten, und auch ein  Udo Jürgens  gibt mit 28 Jahren ein Duett namens „Die goldenen Jahre“ mit einer gewissen Evi Kent. Diese war um 1960 gut im Geschäft und in einigen Kinofilmen zu sehen, verschwand danach aber von der Bildfläche. 1973 spielte sie noch mal in dem durchgeknallten und hier schon besprochenen „Blau blüht der Enzian“ mit.

Chris Howland (1928-2013), der Radio-DJ, der zum Sänger und Filmstar wurde, schaut auch mal vorbei und kann seinen alten Gassenhauer „Hämmerchen-Polka“ performen. Auch das Stück hat einen verschmitzten Charme. Der Text stammt erneut von dem hier schon mal erwähnten Hans Bradtke, der auch „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ dichtete.

Chris Howland und sein Sparschwein

„Alle müssen Steuer zahlen
Ich und du und er
Alle leiden Höllenqualen
Mir fällt das nicht schwer
Droht mir auch der Dalles
Ich bezahle alles
Und hol mit Humor
Mein Hämmerchen hervor

Und dann hau ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein
Mein Sparschwein kaputt
Mit dem Innenleben von dem kleinen Sparschwein
Geht’s mir dann wieder gut“

Noch etwas unnützes Wissen auf den Weg: 1962 coverte Heinz Erhardt den Song, leider musikalisch bisschen zu sehr geleckt. Der britische Akzent und die etwas kuriose Orchestration des Originals machen viel vom Charme aus.

Ansonsten bleibt ein kitschiges, langatmiges Revuefilmchen. Im Prinzip ist das alles so eine Art frühe Form der heutigen Musikvideos. Die überschwülstigen Beiträge von Gerhard Wendland sind nur schwer zu ertragen, der Schmalz läuft aus den Lautsprechern.

Für den österreichischen Regisseur Peter Dörre, der es nicht mal zu einem eigenen Wikipedia-Artikel geschafft hat, blieb das auch die einzige Kinoarbeit, sonst machte er nur Fernsehen. In Sachen Bildgestaltung ist das also Magerprogramm, er hält mehr oder weniger die Kamera drauf. Hier und da gibt es ein paar Tanzeinlagen, die für ein bisschen MGM-Musical-Flair sorgen sollen. Für Fans der beteiligten Künstler oder generell Schlagerfans der Zeit vielleicht sehenswert. Ansonsten gibt es selbst in dem Genre sicherlich interessantere Vertreter.

Zumindest weiß ich jetzt, wo Heinz Becker seinen Modegeschmack abgeschaut hat. Das KANN kein Zufall sein. 🙂

Typische Handbewegung beim Anschauen dieses Films
Er war jung und brauchte das Geld: Udo Jürgens

Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett (D/Ö 1962)

Regie: Franz Antel
Buch: Johannes Kai, Hugo Wiener
Produktion: Carl Szokoll / Neue Delta Filmproduktion
Premiere: 19. Oktober 1962

Nudelfabrikant Keyser (Heinz Erhardt) wird von seiner Tochter zu einem Urlaub auf einer einsamen Insel verdonnert, um ihn dort auf Diät zu setzen. Wenig erbaut, will er zumindest seinen Mitarbeiter Dr. Steffen (Harald Juhnke) mitnehmen, und ihn vielleicht bei der Gelegenheit auch mit seiner Tochter verkuppeln. Auf der Insel angelangt treffen sie auf ein weiteres Paar (sie will heiraten, er lieber angeln, das übliche Drama). Gemeinsam stranden sie auf der kleinen Insel ohne Ausrüstung und sind auf ihre Survival-Skills angewiesen.

Die Filme des österreichischen Regisseurs Franz Antel (1913-2007) wirken irgendwie immer 10 Jahre älter als sie eigentlich sind. „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ von 1962 wirkt wie aus den tiefsten 50ern, von den knalligen Bonbon-Farben (Eastman-Color) bis zu dem schon damals angestaubten Humor. Er stammt aus der mittleren Schaffensphase von Antel, gut zehn Jahre vor dem Heinospoitation-Knaller „Blau blüht der Enzian„, der hier ja schon zu Ehren kam. Und auch noch einige Jahre, bevor er mit den berüchtigten „Frau Wirtin“-Filmen auch das Tittenfilmchen-Gerne beackerte.

Einen Pluspunkt hat der Film gegenüber vielen anderen: Heinz Erhardt spielt mit. Aber auch er kann dieses bemühte Lustspiel nicht wirklich retten. Im Gegensatz zu vielen späteren Filmen ist es kein „Heinz-Erhardt-Film“, in dem der Film quasi um ihn herum geschrieben wurde, sondern er ist mehr Teil des Ensembles. Die andere männliche Hauptrolle wird von niemand geringerem als einem noch recht jungen Harald Juhnke (1929-2005) gespielt, eine durchaus reizvolle Kombination, die leider nie wirklich ausgespielt wird.

Ein Grund, warum der Film so altbacken wirkt, ist wohl auch, dass es ein Remake des Films „Die Leute mit dem Sonnenstich“ von 1936 (!) ist. Er spielt nur nicht mehr an der Donau, sondern zeitgemäß in Italien, dem Sehnsuchtsort des Wirtschaftswunder-Deutschen. Aber nicht mal das ist echt – als Italien-Double musste aus Kostengründen Jugoslawien herhalten.

So können wir auch das rheinländische Urgestein Trude Herr hier einmal als pummelige italienische „Mamma“ mit Schürze bestaunen, die auch ein Liedchen namens „Tango d’Amore“ am Hafen trällern darf. Apropos – den Titel bekam der Film auf Wunsch des Verleihs verpasst, der damit den gleichnamigen Schlager von Bill Ramsey bewerben wollte. Mit diesem durchaus ganz originellen Liedchen beginnt auch der Film, das wirkt fast wie ein Videoclip. Der arme Kerl will einfach nur schlafen, aber die Olle will immer nur lesen und treibt ihn in den Alkoholismus. Wie das so geht.

Netter Kniff – besagte Mimi (Edith Hancke) liegt nebst Gaben (Ramsey) im Bett und liest einen Krimi, und liest uns auch quasi den Vorspann vor, als wäre der Film das Buch, das sie liest. Na, ich hoffe, der Krimi ist spannender als das laue Lüftchen von Komödie, das dann folgt.

Der Text des Liedes stammt von Hans Bradtke, der auch so nett wortspielig-launige Schlager wie „Zuckerpuppe (aus der Bauchtanz-Truppe)„, „Das kannst du mir nicht verbieten“ oder „Das bisschen Haushalt … sagt mein Mann“ textete. Schon nicht so übel im Vergleich zu den sonstigen Schlager-Plattitüden.

„Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett
Nie ins Bett, nie ins Bett
Mimi hat den Krimi und die Interpol
Und ich den Alkohol
Ja, that’s right
Mimi hat den Krimi und die Interpol
Und ich den Alkohol, Prost“

Hans Bradtke: „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“

Was bleibt? Ein ziemlich seichtes, erschreckend unlustiges Lustspiel aus Opas Kintopp, das mit Erhardt und Juhnke eigentlich zwei humoristische Schwergewichte aufführt, die aber Dialoge aufsagen müssen, die 1962 schon einen sehr langen Bart hatten. Immerhin ist das ganze mit 76 Minuten auch schnell vorbei. Selbst in der eher durchwachsenen Filmographie von Heinz Erhardt kein Highlight.

Eigentlich schade, dass es keinen richtig „definitiven“ Erhardt-Film gibt. Entweder sie sind bieder-spießig (50er-60er) oder sehr albern und Schlagerheini-verseucht (70er). Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er 1971 mit seinem Schlaganfall so unvermittelt aus dem Berufsleben gerissen wurde. Er konnte danach nicht mehr sprechen und schreiben, was die Hölle gewesen sein muss für jemand, der Sprache so liebte. Am besten ist er immer noch alleine auf einer Bühne, im Idealfall mit einem Klavier.

Die Bildqualität ist überraschend gut, leider ist der Ton sehr spitz, vielleicht auch „totgefiltert“, Zischlaute sind oft unangenehm im Ohr. Aktuell (07/2022) in Prime erhalten, Scheibchen (Billig-DVD) gibt es auch.