Pension Schöller (D 1960)

Regie: Georg Jacoby
Buch: Georg Jacoby, Joachim Wedekind, Gustav Kampendonk nach dem Bühnenstück von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs
Produktion: Walter Koppel, Gyula Trebitsch für Real-Film GmbH, Hamburg
Premiere: 15. Juli 1960

So, nach den 70ern-Nackedeis gehen wir mal wieder in die biederen 60er. Dieser Film ist für mich primär wegen Theo Lingen interessant. Der zugrundeliegende Stoff ist uralt und wurde schon 1930 und 1952 verfilmt, und jedes Mal von Georg Jacoby (1882-1964). Die Namensgleichheit ist kein Zufall – Georg ist der Sohn von Wilhelm Jacoby (1855-1925), einem der Autoren des Stücks. Das Theaterstück wurde bereits 1890 (!) uraufgeführt. Also wirklich von anno Tabak, wie man so schön sagt.

Georg Jacoby war ein sehr, sehr produktiver Filmemacher. Deutlich über 200 Filme gehen auf sein Konto, beginnend im Jahr 1913 (!). Seine Karriere endete 1960, das ist also einer seiner letzten Filme. Aufmerksame Leser*innen dieser Seite mag der Name bekannt vorkommen – richtig, der schon besprochene Film Bühne frei für Marika (1958) war auch von ihm. Der gebürtige Mainzer war lange mit Marika Rökk verheiratet.

Hier haben wir also die x-te Version eines offenkundig sehr populären Stoffs. Eigentlich müsste man jetzt alle Versionen sehen, aber das wäre vielleicht etwas zu viel des guten.

Theo Lingen als Professor Schöller

Der Grundplot ist so simpel wie einfach: Der vermögende ältliche Junggeselle Philipp Klapproth (Rudolf Vogel) finanziert seinem Neffen Peter (Helmuth Lohner) das Medizin-Studium. In der ersten Szene bekommt er Post (Postbote: Henry Vahl), er bittet ihn um 20.000 DM. Er will angeblich Nervenarzt werden und könnte eine Praxis übernehmen. Aber das ist geschwindelt, eigentlich macht er lieber wilde Jazzmusik und will die Kohle in ein Jazzlokal investieren, um sich damit eine Existenz aufzubauen. Philipp will aber erst mal sehen, ob das alles stimmt, und taucht auf. Also muss die Pension des Onkels seines Bandkollegen schnell zur fingierten Nervenheilanstalt werden, die Posse beginnt in der titelgebenden „Pension Schöller“. Professor Schöller (Theo Lingen) und die Gäste sind natürlich nicht eingeweiht und werden von Klapproth für „Irre“ gehalten, woraus sich mehr oder weniger lustige Begebenheiten ergeben.

Direkt offensichtlich ist natürlich die zu erwartende Anpassung an den zeitgenössischen Musikgeschmack. Zwischendurch wird immer wieder mal ein Liedchen geboten, im leicht angejazzten Big-Band-Sound, überliegend gut gealtert, kann man heute noch ohne Ohrensausen hören. Ist meist auch angenehm kurz und nicht so penetrant-werbemäßig wie in vielen Schlagerfilmen, die komplett sinnfrei irgendwo einen Song reinballern, weil die Plattenfirma einen Scheck schickt.

Für das Drehbuch sind gleich drei Herren verantwortlich. Natürlich geht es auf das Theaterstück zurück, ergänzt durch die Arbeit von Regisseur Georg Jacoby und dazu noch Joachim Wedekind (1925-1963) und Gustav Kampendonk (1909-1966). Beide sind uns hier schon begegnet. Wedekind war am Drehbuch für „An jedem Finger zehn“ (1954) beteiligt und hat vor allem in den 50ern einiges (mit-)geschrieben. 1963 wählte er aus mir unbekannten Gründen den Freitod. Immer viel Drama hinter den Kulissen beim Heile-Welt-Film irgendwie. Der Herr mit dem schönen Namen Kampendonk sollte Heinz-Erhardt-Fans was sagen – er ist Autor von „Natürlich die Autofahrer“ und „Drillinge an Bord“ (beide 1959). Er war sehr fleißig in den 50ern und hat ordentlich Unterhaltungsware getextet.

Theo Lingen, Rudolf Vogel

Rudolf Vogel (1900-1967) ist uns bislang noch nicht begegnet, was ein kleines Wunder ist. Er ist einer der Schauspieler, die in x Filme pro Jahr zu sehen waren, oft in Nebenrollen. Als sehr erfahrener Theatermann spielte er oft etwas exzentrische Spießbürger, wie hier auch den kauzigen Onkel. Hat Hans-Moser-Vibes.

Zu Theo Lingen (1903-1978) habe ich hier schon einiges geschrieben, ich mag den Mann einfach. Hier hat er mehr eine Nebenrolle, aber als exzentrischer Professor und Pensionsleiter eine, die ihm wirklich auf den Leib geschrieben ist. Das ist sicherlich kein Highlight in seiner (etwas erschlagenden) Filmographie, aber für Fans sicherlich mal sehenswert. Tatsächlich erinnerte seine Rolle mich öfter mal an die des Direktor Taft in den „Lümmel“-Filmen. Hier hat er quasi schon geübt.

Ann Smyrner als Erika

Die weibliche Hauptrolle als Nichte Erika Klapproth wird von Ann Smyrner (1934-2016) gespielt. Die gebürtige Dänin hat ihre Schauspielkarriere kurioserweise der BILD-Zeitung zu verdanken. Diese brachte von 1952 bis 1961 einen Comic namens „Lilli“, die so populär war, dass es bald auch Puppen davon gab. Diese „Bild-Lilli“ gilt als Vorgängerin der Barbie. 1958 entstand dann der darauf basierende Film Lilli – ein Mädchen aus der Großstadt – und die Titelrolle wurde in der BILD ausgeschrieben. Und Ann Smyrner bekam den Zuschlag. Verrückte Geschichte. Sie drehte in den 60ern noch einiges an Filmen, auch viel in Italien, aber Anfang der 70er erlosch ihr Stern. Offenbar hatte sie da eine Art religiöse Erweckung und lebte seitdem zurückgezogen auf dem Esoterik-Trip. So Biographien kann man sich echt nicht ausdenken.

Als Neffe und Möchtegern-Mediziner sehen wir Helmuth Lohner (1933-2015). Der Name sagte mir nichts, aber auch wirkte in der Nierentisch-Zeit in vielen Filmen mit, auch in kleineren Rollen in einigen Heinz-Erhardt-Filmen. Apropos – auch das Hamburger Urgestein Henry Vahl hat eine kleine Rolle, direkt am Anfang, als Briefträger. Neben seiner Rolle in „Unser Willi ist der Beste“ (1971) ist er heute sicherlich wegen seiner Mitwirkung im Ohnsorg-Theater ein Begriff.

Rudolf Vogel, Henry Vahl

Durchschnittliche Unterhaltungskost. Die Grundidee ist eigentlich ganz nett, aber die Handlung ist halt uralt und daher sehr nach Schema F gestrickt. Bisschen mehr Theo Lingen wäre nett gewesen. Ansonsten recht uninspiriert abgefilmtes Theater ohne wirklichen Bild-Gestaltungswillen. Tut nicht weh, haut aber auch sicherlich niemand mehr vom Hocker.

Den Film gibt es seit 2014 auf DVD, wie oft beim Label „Filmjuwelen“ erschienen. Eine vorherige Auswertung auf VHS gab es nach allen gängigen Quellen nicht.

Schick deine Frau nicht nach Italien (D 1960)

Regie: Hans Grimm
Buch: Ilse Lotz-Dupont
Produzent: Franz Seitz Filmproduktion, München
Premiere: 22. September 1960

Dieses obskure Filmwerk habe ich mal wieder dem YouTube-Algorithmus zu verdanken, der ihn mir ins Bewusstsein spülte. Neugierde erregte hier die Tatsache, dass wir hier ein frühes Werk aus dem Hause Franz Seitz Filmproduktion haben, das uns hier schon des Öfteren über den Weg gelaufen ist. Heute am bekanntesten dürften wohl die „Die Lümmel aus der ersten Bank“-Reihe und später dann Literaturverfilmungen wie „Die Blechtrommel“ sein, mit dem hier schon behandelten Knaller „Big Mac“ (1985) mit Thomas Gottschalk als kuriose Nachgeburt der deutschen Nachkriegskomödie.

Die Produzentenkarriere von Seitz begann 1951, dies ist hier also noch seiner ersten „Schaffensperiode“ zuzurechnen. Wie üblich in diesen Jahren wurde auf Masse produziert, dies ist einer von drei (!) Filmen, die 1960 entstanden. Interessant ist hier auch, dass Hans Terofal aka Hans Seitz hier noch einen Credit als „Produktionsleitung“ hat, seinem eigentlichen Job für viele Jahre (neben einigen kleinen Schauspielrollen), bevor er unter seinem Pseudonym als Schauspieler bekannt wurde und immer den letzten Volldepp spielen musste und mit nur 53 Jahren schließlich Opfer seines Alkoholismus wurde.

Die Geschichte ist recht schnell erzählt. Drei Paare werden vorgestellt, die Herren sind arrogante Flitzpiepen, riechen nach fremden Parfüms und kümmern sich nicht um den Haushalt und die Kinder. Die Muddis werden sauer und wollen ihnen eine Lektion erteilen, und fahren kurzentschlossen zu dritt nach Italien (wohin sonst). Unterwegs bleiben sie mit dem Auto liegen und werden von zwei charmant-zwielichtigen Italienern „gerettet“ (irgendwie klingen die für mich, wenn sie mit Akzent Deutsch reden, mehr nach Holländern als nach Italienern, liegt vielleicht aber auch an mir). Natürlich wollen die süßholzraspelnd auch den keuschen Muddis an den Baumwollschlüpfer, Vorurteile wollen ja gepflegt sein.

Die Milch kocht über, der Wasserhahn spritzt – man hat es schon nicht leicht als Mann mit ohne Frau

Zuhause bricht derweil das Chaos aus, weil Männer sind ja so unfähig, die Küche sieht aus wie Sau (eieiei). Damit dieser emanzipatorische Akt nicht Schule macht, kehren sie natürlich wieder reumütig zurück und alles ist wieder im Lot. Zwischendurch wird gesungen.

Gefilmt in Eastman-Color sehen wir natürlich auch nebenbei ein Kaleidoskop von postkartenartigen Motiven aus Italien, von Pferderennen mitten in der Stadt bis einer Rom-Sightseeing-Tour mit der Kutsche und lustigem Gesinge („Auf allen Straßen“). Interessant zu sehen, wie Rom damals aussah, ich war dieses Jahr erst dort. Durchaus ein Punkt auf der „Habenseite“ des Films.

Rom anno 1960

Auf allen Straßen such‘ ich die Eine

Sie muss die Schönste und Liebste sein

Wenn ich sie finde, wird sie die meine

Find‘ ich sie nicht, dann bleib‘ ich lieber noch allein

Ich ziehe meine Straße immer weiter

Durch die schöne Welt

Und bleibe dabei immer froh und heiter

Weil mir das Leben so gefällt

Was man so Singt, während man mit der Kutsche durch Rom fährt

Die Lieder sind angenehm kurz und überwiegend von der dieser etwas südländisch-„exotisch“ angehauchter Machart, die damals angesagt war.

Geschrieben hat dieses nette kleine Schlager- und Schmunzelfilmchen eine der wenigen Frauen, die damals in diesem harten Geschäft einen Fuß an Land bekommen haben, eine gewisse Ilse Lotz-Dupont (1893-1968). In der Vorkriegszeit vor allem als Schauspielerin bekannt, schrieb sie in den 50ern und 60ern rund 25 verfilmte Drehbücher. Von „Moselfahrt aus Liebeskummer“ (1953) über „Wenn die Alpenrosen blüh’n“ (1955) bis „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“ (1962) klingt das doch eher nach solider Hausmannskost, was der Markt halt wollte. Das Himmelbett war wohl etwas erotisch angehaucht und sorgte 1962 für Aufsehen. (Dazu gehörte 1962 nun auch nicht viel. Wenn ich den mal finde, schau ich mal rein und berichte.)

Der Regisseur Hans Grimm (1905-1998) war mir bislang unbekannt. Er hat eine recht kuriose Karriere. Als gelernter Elektriker arbeitete er lange als Tontechniker, bevor er in den 30ern und 40ern zum Cheftonmeister der Tobis emporstieg und dort an zahllosen Filmen beteiligt war. Nach 1945 war er dann als Regisseur tätig für ein gutes Dutzend, überwiegend seichter Filme wie diesen hier. Hier kam ihm wohl zu gute, dass er – nach grober Sichtung – wohl überwiegend an unproblematischen, „leichten“ Filmen beteiligt war und es bei Massenproduktion an erfahrenen und zugleich politisch unbelasteten Regisseuren fehlte, die nicht emigriert sind.

Die Schauspieler*innen sind fast alle Kinder ihrer Zeit und hatten ihren Zenit in den 50ern und 60ern, danach wenn überhaupt noch etwas Fernsehen.

Spontan bekannt war mir tatsächlich nur Harald Juhnke (1929-2005), der hier noch recht jung in seiner sehr produktiven Zeit zu sehen ist, so grob 1957-1963 drehte er einen Film nach dem nächsten, 33 (!) Filme innerhalb von 6 Jahren.

Claus Biederstaedt (1928-2020) war ebenfalls in dieser Zeit sehr produktiv. Tatsächlich dürfte der Name vor allem Synchron-Nerds etwas sagen, war er doch lange im Geschäft und ist in vielen bedeutenden Filmen und Serien zu hören, als Stimme von u. a. Marlon Brando,  Peter O’Toole und Peter Falk. Die meisten Filme seiner Filmographie dürften außerhalb des Freundeskreises der seichten Schlagerfilmchen überwiegend vergessen sein, relativ spät war er noch mal im Roy-Black-Vehikel „Schwarzwaldfahrt aus Liebeskummer“ (1974) zu sehen. Und – natürlich – später dann auch in einigen Folgen von „Derrick“, daher war mir das Gesicht auch vertraut. Generell war er in vielen ZDF-Produktionen der Zeit zu sehen, von „Der Kommissar“ bis „Die Schwarzwaldklinik“. Kleine biographisch-geschichtliche Anekdote: Wie so viele seiner Generation musste auch er in den Krieg, mit 15 Jahren an die Ostfront. Seine Mutter war in der festen Überzeugung, er wäre wie alle (!) seiner Mitschüler gefallen, worauf sie sich mit einer Zyankali-Kapsel das Leben nahm und in irgendeinem Massengrab verscharrt wurde. Unglaublich, was diese Generation durchlitten hat.

Die weibliche Hauptrolle bestreitet Marianne Hold (1933-1994), einer der großen Stars der damaligen Zeit, hier schon gegen Ende ihrer recht kurzen Karriere. Nach den Kriegswirren landete sie als junge Frau in Rom und lebte dort bis zu ihrem Tod. Ihre Filmkarriere war nach 1965 beendet.

Die aus Jugoslawien stammende Elma Karlowa (1932-1994) war ebenfalls ein sehr gesehener Gast in diesen Filmen. Im Gegensatz zu Marianne Hold konnte sie auch später noch im Kino und Fernsehen Rollen ergattern, wenn auch ihre Blüte lange vorbei war. Neben Abstechern in die 70er-Softerotik („Junge Mädchen mögen’s heiß, Hausfrauen noch heißer“, „Was Schulmädchen verschweigen“, beide 1973) war sie sogar in den 90ern noch in einigen Folgen von „Tatort“ zu sehen. Der bedeutenste Film in ihrer Filmographie ist sicherlich „Angst essen Seele auf“ (1974) von Rainer Werner Fassbinder, in dem sie eine kleine, aber schöne Rolle hat als „Frau Kargus“, die schwarzhaarige, etwas pummelige Frau, die Brigitte Mira im Treppenhaus trifft.

Erwähnenswert ist noch eine kleine Rolle von Liesl Karlstadt (1892-1960), es war auch ihre letzte Rolle überhaupt. Zusammen mit Karl Valentin (1882-1948) bildete sie eines der großen Komiker-Duos Deutschlands. Dazu zu gegebener Zeit mehr. Hier spielt sie Tete, die resolute Hausangestellte von Harald Juhnke. Dass die beiden zusammen mal einen Film gedreht haben, hätte ich jetzt auch nicht gedacht.

Harald Juhnke, Liesl Karlstadt

„Machen Sie eine typische Handbewegung bei Sichtung dieses Films.“

Typisches Fließband-Produkt seiner Zeit. Tut niemandem weh, unterhält auf niedrigem Niveau, handwerklich sauber. Musik meist im erträglichen Rahmen. Schnulzfaktor schon im roten Bereich, aber (im Rahmen des Genres) noch zu ertragen. Gibt sicherlich schlimmeres, das ist hier ist wohl aber nur für Chronisten und beinharte Juhnke-Fans von Interesse.

Der Film ist wohl weder auf VHS noch auf DVD erschienen, nur eine Ausstrahlung im „Heimatkanal“ bei Premiere anno 2005 ist dokumentiert. Es gibt ihn aber in überraschend guter Qualität auf YouTube.

Kirmes (D 1960)

Regie, Buch: Wolfgang Staudte

Produktion: Real-Film, Hamburg

Premiere: 2. Juli 1960

Unter diesem etwas irreführenden, unglücklichen Titel verbirgt sich keine nette Heile-Welt-Komödie, wie man vielleicht denken könnte, sondern ein hervorragender Film von Wolfgang Staudte, den man zu den wichtigsten Regisseuren des Nachkriegskinos zählt.

Ich kenne bislang nur die späteren „Tatort“-Episoden von ihm (meist gut, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt), sein historisch wichtiges Frühwerk wird nach und nach verfügbar. Dieser Film ist 2020 erstmals auf DVD erschienen, auf dem Label „Filmjuwelen“, das sich wieder mal um eine Wiederdeckung verdient gemacht hat.

Wie in einigen Filmen dieser Zeit geht es um die Aufarbeitung der NS-Zeit, ein Thema, das viele Deutsche in der Zeit nicht ansprach, zu frisch war es noch. Heile Welt war angesagt, Gebirge, saftige Wiesen, glückliche singende Menschen. Düstere Nazi-Dramen in schwarz-weiß im Kino? Nein, danke.

Auch dieser Film floppte damals an den Kinokassen, verschwand auch lange in der Versenkung. Wesentlich bekannter von Staudte ist „Die Mörder sind unter uns“ von 1946 – wohl auch durch den markanten Titel.

Hervorragend fotografiert, dicht und sprachlich auf höchstem Niveau geschrieben und hochkarätig mit Theaterschauspielern besetzt, erleben wir hier die fesselnde Geschichte einer Desertation im Zweiten Weltkrieg.

1959 findet in einem Dorf in der Eifel die alljährliche, titelgebende Kirmes statt. Die Feierlichkeiten werden getrübt, denn bei Bauarbeiten wird eine Leiche gefunden – ein Skelett, ein Stahlhelm, ein Gewehr. Offensichtlich ein Kriegsopfer.

Fast alle wollen es abhaken und zur Tagesordnung übergehen. Auch der Bürgermeister schaut düster aus der Wäsche. Nur die Mutter weiß, wer es ist – ihr Sohn Robert (Götz George). Und so erfahren wir in einer langen Rückblende die Geschichte Roberts.

Dieser war 1944 desertiert, weil er sich weigerte, auf Frauen und Kinder zu schießen. Er wollte sich in seinem Heimatdorf verstecken, um nicht als Fahnenflüchtiger und „Vaterlandsverräter“ gemäß der neusten Verordnung erschossen oder erhängt zu werden. Doch die Bevölkerung des Dorfes erweist sich als wenig hilfreich. Angst und Hurra-Patriotismus, dazu die geradezu groteske Propaganda-Dauerbeschallung, haben ihr Werk getan. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Georg Hölchert (Wolfgang Reichmann) ist ihm auf den Fersen, bedroht auch seine Familie. Siehe da – den Mann kennen wir doch schon. Er ist der Bürgermeister im Jahr 1959. Als dann auch die Gestapo im Dorf anrückt, sieht Robert irgendwann keinen Ausweg mehr.

Zurück im Jetzt (1959) – das ganze Dorf ist daran interessiert, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Das Karussell dreht sich, die Kinder lachen.

Gerade das mit dem Bürgermeister dürfte vielen Deutschen anno 1960 schwer im Magen gelegen haben. Wie viele überzeugte 110-Prozent-Nazis haben später in der bundesdeutschen Politik Karriere gemacht, bis hin zum Bundeskanzler. Auch einzelne Schicksale wurden sicherlich in Familie und Dorfgemeinschaft wissentlich totgeschwiegen – die sprichwörtlichen Leichen im Keller. Der Film bohrte hier mit Genuss in deutschen Wunden.

Trotz des schweren Themas hat der Film aber auch genug Humor (auch schwarzen) und genug Romantik, um auch unterhaltsam zu sein. Die Balance gelingt hier gut.

Noch einige Worte zum Cast. Aus heutiger Sicht am bekanntesten ist sicherlich Götz George, der auch Jüngeren noch als „Schimanski“ ein Begriff sein dürfte. Hier ist er mit süßen 22 Jahren zu Beginn seiner Karriere zu bewundern. Er spielt den zusehends verzweifelten Soldaten überzeugend.

Die Französin Anette, die als Kriegsgefangene im Dorf lebt und als love interest dient, wird gespielt von der damals recht bekannten Juliette Mayniel. Sie spielte 1959 im klassischen französischen Horror-Krimi Les yeux sans visage (Augen ohne Gesicht) mit und in vielen anderen französischen Filmen der Zeit.

1973 spielte sie in – „Sie nannten ihn Plattfuß“ mit Bud Spencer. Das hab ich jetzt nicht kommen sehen. Dort verkörpert sie die Rolle der Maria. Das ist die nette schwarzhaarige Dame, die Bud zwischendurch mit Spaghetti im Futter hält.

Wolfgang Reichmann, der NSDAP-Ortsgruppenleiter Schrägstrich Bürgermeister spielt, kam mir auch bekannt vor – und siehe da: 2 Folgen „Derrick“. Er war generell in den 70ern und 80ern noch gut im TV-Geschäft und wirkte in vielen Serien und Filmen mit, und ist mit seiner imposanten Erscheinung auch auffällig.

Ein wichtiger Film. Handwerklich, technisch und schauspielerisch auf höchstem Niveau. Schön, dass er nicht dem Vergessen anheim gefallen ist.

DVD: Filmjuwelen