Der müde Theodor (D 1957)

Regie: Géza von Cziffra
Buch: Franz Gribitz, Géza von Cziffra (als Peter Trenck)
Produktion: Deutsche Film Hansa
Premiere: 7. Juni 1957

Der gebürtige Ungar Géza von Cziffra (1900-1989) war in den 50ern und 60ern nicht aus dem deutschen Kino wegzudenken. Drei bis vier Filme pro Jahr produzierte er, meist im leichten Unterhaltungs-Genre, von der Komödie bis zu der damals so beliebten Schlager-Revue.

Dieser Film von ihm sticht etwas aus der Masse heraus, denn dies ist der erste Film, in dem der noch recht junge Heinz Erhardt (1909-1979) seine erste Hauptrolle in einem Spielfilm absolvierte. Endlich konnte ich auch diese Lücke mal schließen und den Film sehen. Besonders viel erwartet habe ich offen gesagt nicht, aber ich wurde positiv überrascht.

Loni Heuser und Heinz Erhardt

Lange war der Film schwer zu greifen, im Vergleich zu den anderen Erhardt-Filmen wurde er auch kaum im Fernsehen gezeigt. Erst 2013 gab es eine DVD, die leider schon lange vergriffen und teuer ist.

Erhardt spielt hier den etwas naiven, aber gutherzigen Marmeladen-Fabrikanten Theodor Hagemann, der gerne sein Geld für die Unterstützung notleidender Künstler unterschiedlicher Güte ausgibt. Seine herrische, kaufmännisch begabtere Ehefrau (die auch die Fabrik mit in die Ehe gebracht hat) macht ihm deswegen das Leben schwer. Nachdem er als Bürge eine Komplettauflage eines unverkäuflichen Gedichtbandes geschickt und in Rechnung gestellt bekommt, ist das Maß voll – Theodor wird entmündigt. (Das scheint damals erschreckend einfach gewesen zu sein.)

Um weiterhin seine eingegangenen Verpflichtungen bedienen und ein Pfand auslösen zu können, arbeitet er nachts heimlich als Kellner im Hotel „Schwarzer Adler“. Irgendwann fällt auf, dass er – wie es der Titel schon verrät – immer müde ist. Allerlei Verwicklung und Verwechslung später aber ist die heile Wirtschaftswunder-Welt wieder hergestellt, Paare finden sich, und auch der Theodor lässt endlich diesen ganzen komischen Kunstquatsch sein und wird mit ordentlichem Scheitel und Anzug zu einem richtig anständigen deutschen Fabrikanten. Da zieht sogar der Pförtner in der Fabrik ehrfürchtig den Hut. Happy End.

Renate Ewert und Ralf Wolter

Der Film gehört zu dem Schwung Remakes (damals sagte man wohl noch einfach „Neuverfilmung“), die in den 1950ern basierend auf alten Stoffen entstanden. Bereits 1936 gab es „Der müde Theodor“ im Kino, unter dem Regisseur Veit Harlan (1899-1964). Es war einer der frühen Filme von ihm, scheint auch kein besonderer Erfolg gewesen zu sein. Harlan drehte dann später u. a. den berühmt-berüchtigten NS-Propagandafilm „Jud Süß“, verständlich, dass man dann auch seine früheren Werke in der Nachkriegszeit eher mit Skepsis begegnete. Die Hauptrolle im Theodor spielte damals ein mir bis eben unbekannter Herr namens Weiß-Ferdl (1883–1949), ein heute wohl eher vergessener bayrischer Volkskomiker, der überzeugter Hitler-Fanboy der ersten Stunde war, was einer Nachkriegsvermarktung auch nicht unbedingt hilfreich war.

Der Grundstoff ist aber deutlich älter, das Autorengespann Max Ferner und Max Neal brachte das Stück schon 1913 auf die Bühnen. Beide waren erfolgreiche Autoren volkstümlicher Komödien und „Bauern-Schwänke“. Vier ihrer Werke wurden viele, viele Jahre später (ab 1992!) in Peter Steiners „Theaterstadl“ auf RTLplus zu Publikumsrennern. Verrückt. Siehe da – auf YouTube gibt es gar eine Aufzeichnung einer Theateraufführung von 1978, in der Titelrolle niemand geringeres als das Kölner Urgestein Willy Millowitsch (1909-1999).

Schon 1918 gab es eine stumme Verfilmung, die auf dem Theaterstück basierte. Regisseur war dort ein Leo Peukert (1885–1944), die Hauptrolle spielte ein gewisser Conrad Dreher (1859–1944), der nur von 1915 bis 1921 im Film tätig war (unter anderem in einem Film mit dem schönen Titel „Der Mann mit dem Affenkopf“ von 1920, was mag sich dahinter verbergen?). Über den Film ist kaum was zu finden, gehe mal davon aus, dass er verschollen ist. Die Deutsche Kinemathek hat noch ein Plakat des Films im Archiv. Peukert war ein vielbeschäftigter Herr, der schon zu Stummfilmzeiten ein populärer Komiker war und später als Komödien-Spezialist galt, bis er recht jung 1944 starb.

Kurz gesagt: Ganz schon angestaubte Mottenkiste also. Aber siehe da – der Film funktioniert trotzdem auch heute noch erstaunlich gut. Natürlich ist die Story altbacken, mit den üblichen Verwicklungen und Verwechslungen, und mit einer etwas fragwürdigen, aber wohl typisch deutschen Moral (Kunst bäh, Arbeit geil).

Er lebt eindeutig von der Performance von Erhardt, der hier schon seine übliche Filmpersona erstaunlich gut ausgebaut hat. Wortspielereien, Versprecher, Gestik und Mimik, eine Prise Slapstick, alles schon da. Selbst zwei Gesangseinlagen am Klavier sind dabei. Und der unverkäufliche Gedichtband, aus dem er direkt auch vorliest – ich würde wetten, dass er die Kostproben aus „Nachtnebel und Sonnenstäubchen“ selbst geschrieben hat. Ebenfalls 1957 erschien dann Witwer mit 5 Töchtern, danach ging es richtig los mit seiner Filmkarriere.

Einzelne Szenen lassen allerdings durchaus erkennen, dass wir uns tief im weltanschaulichen Mustopf befinden. Frau Hagemann will ihren spinnerten Ehemann einer Therapie entziehen und begibt sich zu einem Nervenarzt namens Link (Franz-Otto Krüger), der natürlich selbst irgendwie spinnert und „komisch“ gezeichnet wird. Er ferndiagnostiziert einen „abstrakten Komplex“. Es entwickelt sich folgender bemerkenswerter Dialog:

Arzt: „Also… ihr Herr Gemahl dürfte einen abstrakten Komplex haben. Den müssen wir natürlich seelenkundlich analysieren. Sagen Sie, gnädige Frau, glauben Sie, dass ihr Herr Gemahl irgendwelche verdrängten Komplexe hat, irgendwelche, ähm, unterdrückten Kindheitserlebnisse? Vielleicht auf sexuellem Gebiet?“

Frau Hagemann, entrüstet: „Sein einziges Erlebnis bin ich! Dafür garantiere ich Ihnen!“

Arzt: „Jaja, natürlich, selbstverständlich, das ist mir vollkommen klar, aber, äh, sie müssen schon verstehen, die Sprache der Psychoanalyse ist für einen Laien ein wenig unverständlich.“

Frau Hagemann, noch entrüsteter: „Das merke ich.“

Aber der „verrückte“ Theodor mit dem Kunstfimmel soll dennoch mal zu ihm. Als Vorwand soll Frau Hagemann sagen, der Arzt sei ebenfalls Kunstsammler, was er wohl auch ist. Denn aus irgendeinem Grund hat er im Nebenraum seiner Praxis, nur durch eine Schiebetür getrennt, moderne Kunst ausgestellt. Er öffnet die Tür, unheilvolle Musik erklingt (!), Frau Hagemann schaut sich um, als wäre es ein SM-Folterkeller, und sagt, mit entsetzter Stimme: „Danke – ich habe genug gesehen“, und rauscht von dannen.

Der Nervenarzt sammelt also „entartete Kunst“. Naja.

Der Film schafft es, in nur einer kurzen Szene sowohl die Psychoanalyse als auch „moderne“ Kunst als schlecht, gar abartig darzustellen, Respekt. Wenn die Szene anno 1936 so im Film und nicht im ursprünglichen Theaterstück war, hat das einen sehr unschönen Beigeschmack, Stichwort „entartete“ Kunst. Im besten Fall ist es urdeutsche Spießigkeit und Verklemmtheit.

Bisschen Xenophobie muss auch sein. Im Hotel ist auch ein Italiener zu Gast, der – natürlich – Spaghetti bestellt, die Erhardt als Kellner aufs Zimmer servieren soll. Natürlich ist er wie alle „Südländer“ ein alter Lustknabe und will der keuschen Lilo an die Wäsche.

„Nur Küssken. Nur kleine Küssken! Als Odövre für Spaghetti. Kleines Küssken.“

Notgeiler Italiener aus dem Grusel-Stereotyp-Baukasten

Als dem kleinen „Küssken“ wird schwupps eine übergriffige Begrapschung. Gut, dass der Kellner gerade ohne Anzuklopfen reinkommt, was den heißblütigen Italiener prompt zu einer Schimpfarie provoziert, er will sich telefonisch beim Hoteldirektor beschweren. Lilo kommt da die servierte Schüssel Pasta gerade recht. Drauf damit auf die Italiener-Rübe, ha! Immer diese notgeilen Ausländer, die keuschen deutschen Mädels an den Baumwoll-Schlüppi wollen. Was für ein feinsinniger Gag! Ich hab jetzt noch Seitenstechen vom Lachen. (Die bittere Wahrheit ist allerdings auch – das ist im Vergleich zu dem, was man teils in den 70ern oder 80ern, gerade in LISA-Film-Produktionen, an rassistischen oder fremdenfeindlichen Gags so sieht, recht harmlos.)

Schauen wir doch mal, wer hier so alles mitwirkt. Interessant, wie viele Größen der 70er-Jahre-Komödie hier schon auftauchen. Einige davon kamen hier auf der Seite auch schon zu Ehren. Also, schaun wir mal.

Peter Weck (* 1930) mit zarten 27 Jahren in einer größeren Rolle als „Felix“, dem love interest von Tochter Hagemann (Karin Baal). Er spielte in den 60ern und 70ern in allerlei Lustspiel- und Schlager-Gedöns mit und führte hier und da auch mal Regie. In den 80ern gewann er mit dem charmanten und heute noch populären ZDF-Serienklassiker „Ich heirate eine Familie“ eine neue Generation an Fans. Aktuell in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Peter Weck, Karin Baal

Der damals omnipräsente Ralf Wolter (* 1926) spielt hier einen Gerichtsvollzieher – der Beginn einer fruchtbaren Kooperation mit Heinz Erhardt. Die beiden sollten sich noch in vielen weiteren Filmen begegnen, bis sie in „Was ist denn bloß mit Willi los?“ (1970) gar zu Kollegen und Mitbewohnern wurden.

Heinz und Hubsi

Den herrlich exaltierten Hubert von Meyerinck (1896- 1971) hatten wir ja neulich auch schon mal im Film „An jedem Finger zehn„. Hier haben wir das meines Wissens einzige Zusammentreffen von „Hubsi“ mit Erhardt, als Schulkamerad und Arbeitsvermittler. Was eigentlich schade ist – die beiden haben eine gute Chemie und einige sehr schöne Szenen zusammen. Er bildet ihn als Ober aus – ein echtes Highlight des Films. (In Franz Antels Komödiengurke „Otto ist auf Frauen scharf“ (1968) sollten sie beide noch mal in einem Film mitspielen, aber ich meine, nie in einer Szene. Meine Erinnerung ist allerdings dunkel.)

Selbst Balduin Baas (1922-2006) ist – kaum erkennbar mit mehr oder weniger vollem Haupthaar – in einer kleinen Rolle zu sehen. Hier noch ganz am Anfang seiner Karriere, sollte er in vielen Komödien kleine, meist skurril bis schrullig angelegt Rollen spielen. Am bekanntesten dürfte heute noch die Figur des „Studienrat Blaumeier“ in den Lümmel-Filmen der 70er sein. Aber auch in Loriots „Pappa Ante Portas“ (1991) ist er noch zu bewundern. (Und bei „Derrick“ selbstverständlich.)

Werner Finck, Balduin Baas

Fazit – ziemlich angestaubte, teilweise weltbildlich fragwürdige, aber auch streckenweise sehr witzige Lustspiel-Kuriosität. Für Heinz-Erhardt-Fans und Komödien-Archäologen schon aus historischen Gründen ein Muss – ansonsten eher auf der verzichtbaren Seite. Einmal sehen reicht.

Darf in keiner alter Komödie fehlen: Die ohnmächtige Dame und das Riechsalz
Mit ordentlicher Haarfrisur geht es stolz der bundesdeutschen Glückseligkeit entgegen. Schaffe, schaffe, Häusle baue! Kunst ist nur was für Gammler und Studenten.