Regie: E. W. Emo
Buch: Herbert Tjadens, Erwin Kreker, Kurt Werner
Produktion: Rolf Meyer / Junge Film-Union
Premiere: 7. Juli 1951
Und weiter geht die wilde Fahrt durchs deutsche Nachkriegskino. Das habe ich lange unterschätzt und weiträumig umfahren, wobei ich aber immer wieder kleine Perlen entdecke. Zudem lese ich gerade die tolle Biographie über Theo Lingen, daher war ich hier gerade im Thema. Also: Ein Theo-Lingen-Vehikel von 1951.
Fritz Sperling (Theo Lingen) spielt einen Geldeintreiber für überfällige Raten, der von Haus zu Haus geht und von säumigen Hausfrauen die 30 DM für den auf Pump gekauften Eisschrank oder ähnliches kassiert oder dies jedenfalls versucht. Neben seinem Job betätigt er sich als Hobbyforscher mit allerlei hoch technischer Gerätschaft in seiner Küche, die auch mal in besten Komödienmanier fotogen explodiert. Er findet einen Apparat, der unsichtbar macht. So treibt er allerlei Schabernack. Aber ach: Als er unsichtbar ist, geht der Apparat kaputt. Muss er nun für immer unsichtbar bleiben? Nein: Der Genuss von hochprozentigem Alkohol macht ihn zumindest zeitweise wieder sichtbar. Was wird seine Frau sagen, wenn ihr Mann entweder unsichtbar ODER betrunken ist?
Groteske Story, jepp! Find ich aber gut, endlich mal nicht der übliche Verwechslungs-08/15-Plot. Der Film nennt sich selbst im Vorspann „Filmgroteske“. Das Metzler Literatur-Lexikon schreibt: „Die Groteske vermischt demonstrativ und sinnzerstörend die Grenzen zwischen Komik und Tragik, Menschlichem und Animalischem. […] Zu den typischen Darstellungstechniken gehören: Paradoxie, Stilbruch, Metaphorik, überzeichnende Satire, nur partielle Komik, Übertreibung, Monstrosität, Exotismus, Mythisierung, Metamorphose und Phantastik“. Puh. Ich würde jetzt nicht unterschreiben, dass all das hier zutrifft, aber soweit ist es sicherlich korrekt: Es ist keine alltägliche Geschichte im deutschen Film, gerade durch das leicht phantastische Element. Der phantastische Film fristete und fristet in Deutschland leider ein Nischendasein.
Man könnte auch sagen: Es ist eine humoristische Version des klassischen „Unsichtbarer Mann“-Topos, das auch gerne als Gruselfilm wie z. B. die Universal-Version von 1933 von James Whale verwurstet wurde, deren Grundstory auf eine Geschichte von H. G. Wells zurückgeht.
Grundsätzlich lebt der Film von Theo Lingen, dem die Rolle hier offensichtlich auf den Leib geschrieben wurde. Es ist sicherlich hilfreich, wenn man ihn grundsätzlich mag und auch seine ganz eigene Art zu schätzen weiß. Er hat hier schon seine klassische „Theo Lingen“-Kunstfigur, das schlaksige, etwas arrogante, näselnde. Hier eher vom Typus „kleiner Mann von nebenan“ und nicht die üblichen Diener- und Lehrer-Figuren, die er oft spielte. Dazu kommt, dass er über weite Strecken des Films betrunken spielt, und das ist durchaus erheiternd. Er ist neben Heinz Erhardt auch bis heute mein Liebling unter den „klassischen“ deutschen Komikern. Seine Körperbeherrschung und das perfekte Timing sind immer wieder beeindruckend.
Inge Landgut (1922-1986) spielt die Ehefrau von Lingen. Sie war schon als Kind schauspielerisch aktiv und hat auch das Glück, in einem der wichtigsten frühen deutschen Filmen überhaupt mitzuwirken: Sie ist eines der Opfer in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder„. Die richtig große Karriere blieb ihr verwehrt, aber sie war bis in die 80er immer wieder mal in Film und vor allem im Fernsehen zu sehen. Auch in der Synchronisation war sie sehr aktiv.
Grethe Weiser (1903-1970) hat wie so oft eine kleine, aber durchaus vergnügliche Nebenrolle als Jugendfreundin und Inkassokundin, die als weinselige Sängerin und Möchtegern-Diva ihre Kodderschnauze zum Besten gibt.
„Da schlag ich lang hin und steh kurz wieder auf!“
Grethe Weiser als Frau Mahlow
In einer kleinen Rolle als Prof. Orsini haben wir mal wieder „Hubsi“, Hubert von Meyerinck. Hier noch mit Haaren (denke mal, das ist ne Perücke). Wir begegnen ihm bereits zum dritten Mal auf dieser Seite, ich habe bereits bei „An jedem Finger zehn“ und „Der müde Theodor“ einiges zu ihm geschrieben. Er war tatsächlich ein alter Bekannter von Theo Lingen, die beiden lernten sich bereits in den 20er Jahren in der Berliner Theaterszene kennen und wurden Freunde. (Ich kann Freunden des „alten“ deutschen Kinos wirklich nur die Theo-Lingen-Biographie „Das Spiel mit der Maske“ empfehlen. Sehr aufschlussreich.)
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Regisseur. „E. W. Emo„, der eigentlich Emerich Josef Wojtek hieß und im damaligen Österreich-Ungarn geboren wurde, gehörte in den 30ern, 40ern und 50ern zu den produktivsten und erfolgreichsten Komödienregisseuren überhaupt. Alleine 21 (!) Filme mit Hans Moser gehen auf sein Konto, einige davon auch mit Lingen. Dieser Film hier ist schon seinem Spätwerk zuzurechnen. Seine letzte Kino-Arbeit ist von 1958, imdb listet insgesamt 80 Filme, beginnend noch in der Stummfilmära. Ein bisschen aus der Masse an Schlager- und Liebesfilmen herausstechend ist ein Film von 1929 mit dem Titel „Zwischen vierzehn und siebzehn – Sexualnot der Jugend„, der von einem Schwangerschaftsabbruch einer 15-jährigen handelt. Nicht gerade ein Thema, das man in einem deutschen Stummfilm von 1929 erwartet.
„Hilfe, ich bin unsichtbar!“ hat meine (zugegeben geringen) Erwartungen übertroffen. Straff und gut geschrieben mit pointierten Dialogen, dazu hübsche Unsichtbar-Spezialeffekte und ein Lingen in Höchstform. Sicherlich kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber: Schöner, im Kontext der Entstehungszeit leicht „schräger“ Unterhaltungsfilm. Kann man auch heute noch goutieren. Ich hatte Spaß. Fans von Theo Lingen sollten auf jeden Fall zugreifen.
Der Film erschien 2021 vom verdienstvollen Label Filmjuwelen auf DVD.