Regie: Gerhard Schmidt
Buch: Jochen Busse, Gerhard Schmidt
Produktion: Marius Müller-Westernhagen, Hans H. Kaden, Gerhard Schmidt
Premiere: 16. März 1984
Jochen Busse hat mal ein Drehbuch für einen Film geschrieben, in dem Tommi Piper, die Stimme von ALF, in einem Pornoladen abhängt, um dort mit seinem BKA-Chef inkognito zu sprechen, den er „mein Führer“ nennt.
Ein Satz, den man zweimal lesen muss, aber doch: Dieser Film existiert:
1984 gedreht, lief er auch im Kino, verschwand aber auch nach größtenteils miserablen Kritiken auch schnell wieder.
Er beschäftigt sich auf satirische Weise mit den Vorkommnissen anno 1982 – den Sturz von SPD-Kanzler Helmut Schmidt durch CDU/CSU und FDP, was den Weg freimachte für die schon damals belächelte „Birne“ Helmut Kohl, der dann 16 Jahre lang den Stuhl im Bundeskanzleramt warmhalten sollte.
Hier wird dieser historische Hintergrund genutzt für eine abstruse Spionagestory. Die Amerikaner wollen unter anderem den „echten“ Kohl durch einen ihnen gefügigen Doppelgänger ersetzen, und das BKA versucht es zu verhindern. Zwei Frauen geraten ins Visier, eine CDU-Sekretärin mit Standleitung in die USA, und eine Fremdsprachenkorrespondentin. Und als MacGuffin haben wir noch ein Videoband, das politisch brisantes Material enthalten soll.
Schon die Grundprämisse finde ich reichlich seltsam – warum sollten die Amis ausgerechnet KOHL ersetzen? Weil er nicht amerikafreundlich und konservativ genug war? Höh. Die Story hätte mit einem SPD-Kanzler viel besser funktioniert. Generell ist mir da oft zu viel pauschale und ausgelutschte Politikerschelte am Start, manchmal klingt es doch arg nach Stammtisch (bzw. heute: Facebook-Gruppe mit Ü70-Meckeropas). „Die da oben“ sind doch eh alle korrupt, unfähig und denken nur an sich selbst und nicht an das VOLK ™, der übliche Kram halt.
Ab und zu gelingt doch ein guter Gag, wobei vieles auch auf damalige Verhältnisse und Vorkommnisse gemünzt ist, vieles dürfte dem heutigen Publikum, das nicht Politik und Geschichte als Hobby hat, unverständlich bleiben. Die Flick-Affäre wird z. B. thematisiert, die unter anderem FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff den Job kostete. Die Geschehnisse waren auch deutlich vor meiner Zeit, aber die allermeisten Leute kenne ich dann doch noch, wobei ich mich halt auch für Politik und Nachkriegsgeschichte interessiere.
Mitunter muss man doch schmunzeln, wie aktuell manche Gags noch (oder wieder) sind. Wie zum Beispiel der angetrunkene Stammtisch von alten, weißen Männern mit Krawatte, die bierselig folgendes zum Besten geben:
„Wir haben keine Sorgen
uns geht’s gut
wir denken nicht an Morgen […]
und wenn die Welt auch untergeht
wir wählen CDU!“
Hat da gerade jemand „Klimawandel“ gesagt? Nein? Gut, ich bestelle mir noch schnell einen Mercedes-SUV bei Amazon vorm nächsten Bier. Also, weiter im Text.
Tatsächlich entsteht (für mich zumindest) auch viel Humor durch die Besetzung von Tommi Piper. Als ALF-Fan kommt es hier immer wieder zu lustigen Szenen, weil diese vertraute Stimme Sachen sagt, die so gar nicht zu ALF passen, z. B. einem Herrn im Sexshop einen Vibrator „mit 3 Gängen“ zu verkaufen. Hiermit könnte man eigentlich mal ALF-Szenen nachsynchronisieren, könnte spaßig werden.
Beeindruckend ist hier tatsächlich der Cast, es gelang, einige gute Schauspieler*innen und auch Kabarett-Größen zu engagieren. Der ewige Bösewicht Gert Haucke (1929-2008), Krimi-Legende Günther Ungeheuer (1925-1989), Rainer Basedow (1938-2022), „Else Tetzlaff“ Elisabeth Wiedemann (1926-2015), Peer Augustinski (1940-2014), hier tummelt sich schon einiges an Deutschlands damaliger A-Liga.
Das Kabarett-Urgestein Dieter Hildebrandt (1927-2013) hat einen kleinen Auftritt als Reporter, und auch Dieter „Didi“ Hallervorden darf ein wenig geistreiches „Spottlied“ zum Besten geben, was seinen Witz daraus bezieht, Kohl „Birne“ zu nennen. Ich bin kein Kohl-Fan, aber so auf Äußerlichkeiten rumzureiten ist halt schon bisserl billig. Was er als lebenslanger FDP-Fan in diesem doch eher „links geprägten“ Film macht, bleibt eh sein Geheimnis.
Konstantin Wecker taucht mehrfach als Straßenmusiker auf, der ein Lied namens „Für alles im Leben muss man bezahlen“ zum Besten gibt, das wohl eine Art Titelmelodie des Films sein soll.
„Für alles im Leben muss man bezahlen,
Konstantin Wecker
Alles im Leben hat seinen Preis.
Der Mann auf der Straße hört erst bei Skandalen,
Was in Vorstandsetagen ein jeder längst weiß.“
Nette Kuriosität. Wenn man den Film zeitlich im Kontext betrachtet, steht er neben den Komödienversuchen von Lisa Film und den Didi-Filmen vielleicht gar nicht soooo schlecht da. Ist halt thematisch ziemlich schlecht gealtert, jemand unter 30 wird sich nur fragen, wer denn die ganzen Leute mit den komischen Brillen und den schlimmen Frisuren sind und worüber die eigentlich reden.
Für Mitautor Jochen Busse war es auch der erste und letzte Ausflug ins Kino. 1986 schrieb er noch die erste Staffel einer kurzlebigen Serie für die ARD, „Die Montagsfamilie“, nie von gehört. Regisseur war dort auch wie hier Gerhard Schmidt.
Kann man sich legal und kostenlos bei YouTube (mit ziemlich viel Nervwerbung) ansehen, gibt es aber auch auf DVD als Grabbeltischware. Damals bei Atlas als VHS erschienen.
Hier und da sind auch ein paar Locations aus heutiger Sicht nicht uninteressant, wie die Pornoklitsche, die den BKA-Beamten als Tarnung dient. Solche Läden sind wohl auch schon seit mindestens 20 Jahren ausgestorben.
Und noch ein bisschen Achtziger-Jahre-Köln. (Köln? Ja, das politische Leben war damals noch in Bonn, nicht in Berlin.)
