Das fröhliche Dorf (D 1955)

auch: Krach um Jolanthe

Regie: Rudolf Schündler
Buch: Gustav Kampendonk
Produktion: Kurt Ulrich
Premiere: 16. September 1955

Oha, da bin ich aber wieder tief in den obskuren Filmarchiven der heilen Kinowelt der bundesdeutschen 50er Jahre unterwegs. Dieser etwas unscheinbare, halb verschollene Film hat allerdings einige Besonderheiten, die ihn filmhistorisch interessant machen. Da man auch online kaum Infos findet, opfere ich mich mal.

Zunächst – Regie: Rudolf Schündler. DER Rudolf Schündler? Ja, genau.

Heute noch am ehesten als Oberstudienrat Knörz aus den Lümmel-Filmen der 70er bekannt, hatte der Mann eine unfassbar bunte Karriere quer durch die deutsche Filmgeschichte, von Fritz Lang über Hans Billian bis Heinz Erhardt. In den 50ern führte er auch mehrfach Regie bei leichter Muse wie hier. Das war bereits seine fünfte Regiearbeit. Von insgesamt 19. Neunzehn! Die 50er Jahre waren sehr produktiv im deutschen Kino. Man darf nicht vergessen – Kino war damals viel alltäglicher, die wenigsten Leute hatten zuhause einen eigenen Fernseher. Es wurden daher viel mehr Kinofilme „auf Masse“ produziert als heute.

Ein weiterer Fakt, der diesen Film etwas besonders macht: Es ist der erste deutsche Cinemascope-Farbfilm, sagt der Filmdienst. 1953, also zwei Jahre vorher, war mit „The Robe“ (Das Gewand) in den USA der erste Film in Cinemascope überhaupt erschienen.

Bauer Lamken (Carl Hinrichs) hat die tollste Sau von allen

CinemaScope war ein wichtiger Schritt hin zum heute selbstverständlichen „Breitbildformat“. Durch spezielle Linsen in der Projektion war es möglich, Filme im Seitenverhältnis von etwa 1:2.35 auf normalen 35-mm-Film zu bannen.

Leider konnte man den Film wohl so nur im Kino damals bewundern. Er ist nie fürs Heimkino erschienen, nicht mal auf VHS. Mir liegt eine Fernsehausstrahlung von SAT1 vor, die leider auf 4:3 zusammengeschrumpft wurde.

Neben diesen technisch-historischen Sachen wurde ich auch neugierig, denn der Film basiert auf einem Theaterstück von August Hinrichs (1879-1956), dessen Geburtshaus keine 300 Meter von hier, wo ich gerade sitze, entfernt ist. Geboren in Oldenburg, ist er als Autor von Theaterstücken, meist humoristischer und eher volkstümlicher Art, bekannt, und die August-Hinrichs-Bühne in Oldenburg trägt heute seinen Namen.

In den zwanziger und dreißiger Jahren war er einer der meistgespielten Bühnenautoren. Seine Stücke waren in ganz Deutschland erfolgreich, und auch mehrere Verfilmungen entstanden bereits. So ist dieser Film von 1955 eigentlich ein Remake des Films von 1934 unter der Regie von Carl Froelich.

Die Geschichte geht auf das Stück „Krach um Jolanthe“ zurück, was auch ein Alternativtitel des Films (und der Titel der 1934-Version) ist. Auch als Theateraufführung wurde es mehrfach gefilmt, z. B. vom Hamburger Ohnsorg-Theater (1962 und 1979 noch mal).

Das Stück ist wohl so bekannt, dass es in Cloppenburg eine Skulptur (Foto von Wikipedia) dazu gibt. OK, wieder was gelernt.

Kuckuck auf der Wutz

Worum geht es überhaupt? Irgendwo im Oldenburgischen anno lange-her: Bauer Lamken (Carl Hinrichs) ist stolz wie Oskar, denn auf der Landwirtschaftsausstellung hat seine Sau Jolanthe den ersten Preis gewonnen. Das war damals sogar ein Foto auf der Titelseite der Zeitung wert.

Doch, oh weh, wieder zuhause in Pusemuckeldorf (das wohl fiktive Ringelstede) droht Unheil. Er hat seine Steuern nicht bezahlt, und der Gerichtsvollzieher pfändet einfach seine Prachtsau und pappt ihr einen Kuckuck auf den Schinken.

Schließlich soll sie versteigert werden, doch niemand bietet. Der Gendarm ermittelt, Verdacht auf Komplott und so. Auch der nette neue Dorflehrer, der gerade im Dorf angekommen ist, gerät in Verdacht, doch er hat damit nichts zu tun, er ist nur für die obligatorische love story im Film verantwortlich.

Die ersten Szenen im Film, diese Viehzeugparade, wurden offensichtlich in München gedreht, dort fand 1955 die 43. Wanderausstellung der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) statt:

München – establishing shot – könnte der Stachus (Karlsplatz) sein

Ebenfalls dokumentieren möchte ich dieses wunderbare Stück Lyrik, gesungen von der Magd Stine. Ein echter Ohrwurm.

„Jolanthe, Jolanthe,
du dickes Borstenvieh
hast meine Sympathie
Jolanthe, Jolanthe,
du hast mit deinem Speck
die Ruhe weg!“

Apropos Magd – diese hat auch eine Szene, die so bizarr ist, dass ist sie hier mal als Ausschnitt einfüge. Tatsächlich für 1955 schon recht gewagt!

Im Cast stach mir Carl Hinrichs (1907–1967) ist Auge. Auch er ist in Oldenburg geboren und hier auch 1967 gestorben. Er war in den 50er und 60er öfter mal in augenscheinlich kleineren Rollen in Kino und TV zu sehen. Laut alt-oldenburg.de war er der Bruder von August. Seine Eltern und später dann er führten in der Haarenstraße in der Oldenburger Innenstadt eine Weinhandlung. Das Gebäude (Foto) wurde 1956 abgerissen, dort ist heute das Modehaus ZARA zu finden.

Gerhard Riedmann (1925–2004), der den jungen forschen Lehrer spielt, war noch bis in die 90er regelmäßig zu sehen, zuletzt in 25 Folgen vom ZDF-„Bergdoktor“. In den 50er war er noch in allerlei Heimat-, Berg- und Schlagerfilmchen zu sehen und grinste und sang sich in die Herzen der Damen. Der grobe Blick zeigt auch, dass eigentlich fast alle der Beteiligten nach dem großen Knick in den 60ern, als Heimatfilme langsam ausstarben, ihre Karriere mitsterben sahen.

Was bleibt? Biedere Heile-Welt-Unterhaltung, und selbst da gibt es sicherlich besseres. Filmisch solide abgekurbelt, bleibt er halt doch ein Theaterstück von 1930, und so frisch wirkt das dann auch. Das war selbst 1955 schon old-school.

Das Lokalkolorit ist ganz nett, wenn man hier wohnt, und zumindest weiß ich jetzt, was diese Skulptur in Cloppenburg soll. Man lernt nie aus! Ist auch einfach mal schön, dass so ein Film mal nicht in Österreich, Tirol, Schwarzwald oder Bayern spielt, sondern in der norddeutschen Tiefebene. Ansonsten nur für Fans von Bauernkomödien (gibt es die überhaupt noch?). Oder wer Filme mit ganz vielen Schweinen mag. Oink!

Der qualitativ ganz brauchbare TV-VHS-Mitschnitt (SAT1, ich würde frühe 00er Jahre schätzen) findet sich im Netz.

Carl Hinrichs, Gerhard Riedmann