Blau blüht der Enzian (D 1973)

Regie: Franz Antel
Buch: Kurt Nachmann
Produktion: Lisa Film
Premiere: 13. April 1973

Beim Wühlen in Prime stieß ich noch auf dieses Kleinod bundesdeutschen Filmschaffens, eine der unzähligen Schlagerkomödien, die in den Siebzigern entstanden. Mit Hansi Kraus, Ilja Richter und Hans Terofal gibt es auch gewisse Überschneidungen zu den damals extrem erfolgreichen „Die Lümmel von der ersten Bank“-Filmen, die es immerhin auf 7 (!) Teile brachte.

Der Österreicher Franz Antel zeichnet sich hierfür verantwortlich, den Kenner der Materie als Regisseur der „Frau Wirtin“-Filmreihe bekannt sein dürfte. Filmtitel wie „Frau Wirtin bläst auch gern Trompete“ (1969) sind einfach unsterblich. Er war auch sehr produktiv: Von den 50ern bis Ende der 70ern entstanden rund 100 Filme mit seiner Beteiligung, in der Regel Komödien, den Moden angepasst. In den 50ern eher Heimatfilm mit Bergen, in den 70ern wurden aus den Bergen wackelnde Brüste im Dirndl. Sein Bruder im Geiste war Drehbuchautor Kurt Nachmann, der auch hier mit am Start ist.

In diesem Filmwerk bleiben die Blusen aber zu, denn es handelt sich um ein Exemplar des damals sehr modernen „Schlagerfilms“. Man nehme eine Verwechslungskomödie vom Reißbrett, immer die gleichen Darsteller und dazu eine Handvoll angesagter Schlagersänger*innen. Hier hat man den ganzen Film, der eigentlich „Der wilde Kaiser tobt“ heißen sollte, gleich werbewirksam in „Blau blüht der Enzian“, den damaligen Hit von Heino, umgetauft. Geschäftstüchtig!

„Hey, Baby. Willst du wissen, was hinter der Brille ist? Dann komm mit mir auf mein Zimmer. Knick-knack.“

Hazy Morgan, Ölmagnat und „der größte Stinkstiefel des 20. Jahrhunderts“, wird vom trotteligen Nachwuchskellner Ilja Richter derart verärgert, dass er das Hotel verlassen will. Leider sind in Kitzbühel, der „piekfeinen Tiefkühltruhe“, alle Hotels ausgebucht. So landet der Assistent von Morgan auf Schloss Thanberg, das eigentlich nur eine Hotelschule ist, wo Ilja Richter, Hansi Kraus und Konsorten gerade ihren Abschluss gemacht haben, als schlechtester Jahrgang aller Zeiten, wie der Schulleiter nicht müde wird zu betonen. Der reiche Sack zieht dort notgedrungen ein und das Unheil nimmt seinen Lauf. Da wir in Kitzbühel sind, darf natürlich auch das große, ultimative Gag-Finale auf Skier nicht fehlen, mit lustigen Soundeffekten und allem. Ich lag unterm Tisch.

Damit das alles nicht zu lustig wird, wird alle 10-15 Minuten ein Liedchen geträllert. Rein zufällig ist Bata Illic unter den Schülern, der auch einfach mal prompt und komplett unmotiviert „Michaela“ durch die Hallen trällert, nachdem irgendein Knirps mit Kochmütze ein Schlagzeugsolo spielte. Das ist das faszinierende an den Filmen aus dieser Zeit – der Wahnsinn kennt keine Grenzen.

Der Phil Collins von Kitzbühel

Direkt die erste Szene nach dem Vorspann (Berge, Wild, Heino-Musik) ist bemerkenswert: Hans Terofal trinkt einen Schnaps namens Enzian, zuerst aus einem Glas, schließlich aus der Flasche. Gut, vielleicht hört er den Song von Heino, nachvollziehbar. Das Makabre daran ist, dass Terofal gerade mal 3 Jahre später an seiner Alkoholsucht zu Grunde gehen sollte. Es wird erzählt, dass er nicht damit klar kam, immer und immer wieder den Obertrottel zu spielen. Ein frühes Opfer des type castings.

Alkoholkrankheit – einfach zum Totlachen!

Eigentlich müsste man da „Dauerwerbesendung“ in der Ecke einblenden. Natürlich singt Heino den Titelsong auch noch mal leibhaftig im Film. Chris Andrews gibt „Sugar Daddy“ zum Besten und Jürgen Marcus darf „Ein Festival der Liebe“ bewerben. Der Kinderstar Nicki (Heintje auf wish bestellt), der Schlagzeuger von vorhin, singt mit Piepsstimmchen ein Liedchen namens „Yuppididuh“ und bürstet dabei eine Kuh (kein Scherz). Und eine Gruppe namens „Wir“ (nie von gehört) singt „David und Goliath“, mit dabei: ein zauseliger Drafi Deutscher mit Hippie-Bart. Harter Stoff.

Ilja Richter ist wie immer so lustig wie ein Loch im Kopf, Hansi Kraus hat ein paar gute Oneliner, die er gewohnt trocken und flapsig liefert, Terofal kaspert sich einen ab – also, eigentlich ist alles wie immer in den gefühlt 425 deutschen Komödien der Jahre 1968-1975.

Gut, Chronistenpflicht erfüllt – eine weitere Produktion der Lisa-Film ist gesichtet. Ich hab ja durchaus einen Sinn für diese Filme und generell für diese Zeit, aber das ist schon echt ne harte Nummer. Kurt Nachmanns Humor ist wohl echt Geschmackssache. Vielleicht findet man das in Österreich lustig. Wobei – das Ding hat damals schon Zuschauer gefunden.

Die von Georg Laforet geschriebenen „Lümmel“-Filme sind in dem Genre immer noch das Nonplusultra, insbesondere die Teile 1 und 5 („Wir haun die Pauker in die Pfanne„), wobei Teil 5 vor allem auch mit dem großartigen Theo Lingen in einer Doppelrolle auftrumpfen kann. Gegen den fußlahmen Kappes hier sind das humoristische Glanzleistungen.

Nur für Mutige, Kitzbühel-Nostalgiker, 70er-Gaga-Schlager-Fans und verrückte Komplettisten wie mich. Oder wer unbedingt mal Heino bei einer Schneeballschlacht bewundern will. Holladijo!

VHS: UFA („Sterne“-Cover)
DVD: MCP Sound & Media (so ein 5-Euro-Grabbelkisten-Ding)
Stream: Amazon Prime inklusive (Stand 06/22)